Todesengel
du noch nicht weißt«, begann Angela vorsichtig. »Wir sind alle sehr traurig. Caroline ist für immer eingeschlafen.«
»Willst du damit sagen, daß sie gestorben ist?« fragte Nikki.
»Ja, leider«, sagte Angela leise.
»Oh«, war alles, was Nikki im ersten Augenblick hervorbringen konnte.
Doch diesmal dauerte es nicht so lange wie bei der Nachricht über den Tod ihrer Lehrerin, bis Nikkis Fassade einstürzte. David und Angela taten ihr Bestes, um sie zu trösten, und es brach ihnen beinahe das Herz, mit ansehen zu müssen, wie Nikki um ihre Freundin weinte. »Werde ich auch bald sterben?« fragte Nikki schluchzend.
»Nein«, erwiderte Angela. »Du wirst bald wieder vollkommen auf dem Damm sein. Caroline hat sehr hohes Fieber gehabt, und du bist sogar fieberfrei.« Als sie Nikki einigermaßen beruhigt hatten, radelte David zum Krankenhaus. Dort angekommen, steuerte er sofort auf das Computer-Zentrum zu, packte die Liste aus, die er mit Calhoun zusammengestellt hatte, und machte sich daran, die Geburtsdaten und Sozialversicherungsnummern der einzelnen Personen abzufragen. Als er damit fertig war, holte David die Krankenberichte auf den Bildschirm, um nach Angaben über Tätowierungen zu suchen. Er war noch nicht weit gekommen, als ihm plötzlich jemand auf die Schulter klopfte. Als er sich umdrehte, blickte er in das Gesicht von Helen Beaton. Hinter ihr stand Joe Forbs, ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes.
»Würden Sie mir bitte sagen, was Sie hier machen?« fragte Beaton.
»Ich benutze den Computer«, stammelte David. Er hatte nicht damit gerechnet, jemandem aus der Verwaltung zu begegnen. Schließlich wurde dort am Samstag normalerweise nicht gearbeitet.
»Soviel ich weiß, sind Sie seit vorgestern nicht mehr bei der CMV beschäftigt«, fuhr Beaton fort. »Das stimmt«, erwiderte David. Er wollte eigentlich weiterreden, doch dazu kam er nicht. »Die Sonderrechte, die Sie im Krankenhaus in Anspruch nehmen durften, wurden Ihnen nur in Verbindung mit Ihrer Anstellung bei der CMV gewährt«, belehrte ihn Beaton. »Da die CMV Sie entlassen hat, muß der Vollmachtenprüfungsausschuß darüber befinden, ob Ihnen die Sonderrechte auch weiterhin gewährt werden sollen. Bis die Entscheidung gefallen ist, haben Sie kein Recht, den Krankenhaus-Computer zu benutzen.« Sie zögerte einen Augenblick und sagte dann zu Joe: »Würden Sie Dr. Wilson jetzt bitte zum Ausgang begleiten?«
Joe Forbs ging einen Schritt auf David zu und gab ihm durch ein Zeichen zu verstehen, daß er aufstehen solle. David wußte, daß es keinen Sinn hatte, sich zu widersetzen. Er packte ruhig seine Papiere zusammen und hoffte, daß Beaton nicht auf die die Idee käme, ihm die Unterlagen wegzunehmen. Doch zum Glück geleitete Forbs ihn einfach nur zur Tür.
So konnte David seinem kurzen und ruhmlosen beruflichen Werdegang noch einen weiteren Skandal hinzufügen: Man hatte ihn »zwangsweise aus dem Krankenhaus entfernt«. Doch David ließ sich nicht entmutigen und steuerte auf direktem Wege auf das ultramoderne Strahlentherapie-Gebäude zu. In der Strahlentherapie wurden samstags morgens vor allem Nachsorgeuntersuchungen an Langzeit-Patienten durchgeführt. David mußte eine halbe Stunde warten, bevor Dr. Holster ihn in sein Büro bat. Dr. Holster war zwar nur zehn Jahre älter als David, doch er wirkte mindestens fünfzehn Jahre älter. Seine Haare waren vollkommen grau, beinahe weiß. Obwohl er an diesem Vormittag viel zu tun hatte, war er sehr gastfreundlich und bot David sofort eine Tasse Kaffee an. »Was kann ich für Sie tun, Dr. Wilson?« fragte Dr. Holster. »Eins vorweg - Sie dürfen mich gerne David nennen«, begann David. »Ansonsten wäre ich Ihnen dankbar, wenn ich Ihnen ein paar Fragen über Dr. Hodges stellen dürfte.«
»Ein ziemlich seltsames Anliegen«, erwiderte Dr. Holster und zuckte mit den Schultern. »Aber mir soll’s recht sein. Was wollen Sie von mir wissen?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte David frei heraus. »Aber ich versuche, mich kurz zu fassen: Ich habe ein paar Patienten stationär behandelt, deren Krankengeschichte in der Klinik genauso verlaufen ist wie bei einigen ehemaligen Patienten von Dr. Hodges. Ein paar von diesen Patienten sind zuvor auch bei Ihnen in Behandlung gewesen.«
»Nur keine Scheu«, sagte Dr. Holster. »Fragen Sie mich alles, was Sie wissen wollen.«
»Bevor ich beginne«, fuhr David fort, »möchte ich Sie dringend darum bitten, mit niemandem über unser Gespräch zu
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