Todesengel
wichtigsten aber war, daß Alice den Hund mochte; nicht zuletzt deshalb schloß Nikki die alte Frau sofort ins Herz. Als erstes zeigte Angela ihr, wie sie Nikki bei ihrer Atemtherapie helfen mußte. Es war sehr wichtig, daß Alice genau Bescheid wußte; zum Glück begriff sie schnell, wie die Behandlung richtig ausgeführt wurde. »Machen Sie sich keine Sorgen«, rief Alice hinter David und Angela her, als die beiden gingen. Nikki hielt Rusty auf dem Arm und winkte ihren Eltern zum Abschied mit der Pfote des Hundes.
»Ich fahre mit dem Fahrrad zum Krankenhaus«, verkündete David, als er mit Angela im Hof stand. »Meinst du das im Ernst?« fragte Angela. »Ja, auf jeden Fall«, erwiderte David. »Na dann, viel Spaß!« sagte Angela, als sie in den Volvo stieg und den Motor startete. Sie ließ den Wagen langsam die lange Auffahrt hinunterrollen, winkte David noch einmal zu und bog dann nach rechts in Richtung Stadtzentrum ab.
Angela war überzeugt davon, daß sie ihren Job beherrschte, doch an diesem Morgen war sie nervös, denn immerhin trat sie nun ihre erste richtige Stelle an. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, rief sich in Erinnerung, daß wahrscheinlich jeder vor dem ersten Tag in einem neuen Job ein wenig Bammel hatte, und meldete sich im Büro von Michael Caldwell. Caldwell führte Angela sofort zu der Krankenhausleiterin Helen Beaton und stellte die beiden einander vor. Helen unterhielt sich gerade mit Dr. Delbert Cantor, dem Chef der medizinischen Abteilung, doch sie unterbrach ihr Gespräch, um Angela willkommen zu heißen. Sie bat die neue Mitarbeiterin in ihr Büro und machte sie auch gleich mit Dr. Cantor bekannt.
Während Angela Dr. Cantor zur Begrüßung die Hand reichte, musterte dieser seine neue Kollegin unverfroren von Kopf bis Fuß. Angela hatte sich an ihrem ersten Tag besonders schick gemacht und ihr bestes Seidenkostüm angezogen. »Oh, Mann!« staunte Cantor. »Die paar Mädchen, die mit mir zusammen Medizin studiert haben, sahen etwas anders aus als Sie! Um ehrlich zu sein - es waren lauter häßliche Wachteln!« Er lachte herzhaft über seine eigenen Worte.
Angela lächelte ihn an. Am liebsten hätte sie ihm geantwortet, daß die Situation in ihrem Semester genau umgekehrt gewesen war, daß nämlich die wenigen Männer allesamt häßliche Kerle gewesen waren, doch sie hielt ihre Zunge im Zäum. Ihr spontanes Urteil über Dr. Cantor stand allerdings fest: Er war ein Widerling und eindeutig einer der Anhänger der alten Schule, die immer noch nicht damit zurechtkamen, daß inzwischen auch Frauen in die abgehobene Welt der Mediziner vorgedrungen waren. »Wir freuen uns wirklich, daß Sie sich für Bartlet und für unser Krankenhaus entschieden haben«, sagte Helen, während sie Angela und Caldwell zur Tür begleitete. »Ich bin davon überzeugt, daß Ihre Arbeit hier Sie zwar herausfordern, aber auch zufriedenstellen wird.« Sie verließen den Verwaltungstrakt und betraten das klinische Labor. Als Dr. Wadley, der Chef-Pathologe, seine neue Mitarbeiterin erblickte, sprang er sofort von seinem Stuhl auf und umarmte Angela, als sei sie eine alte Bekannte. »Willkommen in unserem Team«, sagte Dr. Wadley, während er aufmunternd lächelte und Angela weiterhin am Arm festhielt. »Ich freue mich schon seit Wochen auf diesen Tag.«
»Ich verschwinde dann mal«, schaltete Caldwell sich ein. »Wie ich sehe, sind Sie hier bestens aufgehoben.«
»Sie haben dem Krankenhaus einen großen Dienst erwiesen, indem Sie diese talentierte Pathologin eingestellt haben«, sagte Wadley zu Caldwell. »Einen Mann wie Sie kann man weiterempfehlen!« Caldwell strahlte.
»Ein netter Mann«, sagte Wadley und sah Caldwell nach, als er das Labor verließ.
Angela nickte, doch in Gedanken beschäftigte sie sich mit Dr. Wadley. Ihr war sofort wieder die Ähnlichkeit mit ihrem Vater aufgefallen, doch diesmal hatte sie auch bemerkt, daß er eigentlich ganz anders war. Im Vergleich zu dem unnahbaren und zurückhaltenden Verhalten ihres Vaters legte Wadley einen überschwenglichen Eifer an den Tag. Angela fühlte sich geschmeichelt, weil Wadley sie so herzlich begrüßt hatte. Zumindest hatte er ihr damit schon an ihrem ersten Arbeitstag das Gefühl vermittelt, daß sie gebraucht wurde.
»Und jetzt eins nach dem anderen«, sagte Dr. Wadley und rieb sich die Hände. Wie bei einem Kind leuchteten seine grünen Augen vor Aufregung. »Zuerst zeige ich Ihnen Ihr Büro.«
Er öffnete eine Tür, die sein eigenes Büro mit dem
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