Todesengel
zurück in den Konferenzsaal. Gehen Sie nach Hause, beruhigen und entspannen Sie sich, und schlafen Sie ein wenig. Wir treffen uns dann morgen und reden über alles, was Sie beunruhigt, okay?«
»Ich bin wirklich ziemlich erschöpft«, gab Hodges zu. »Natürlich«, pflichtete Traynor ihm bei, »das merkt man.«
»Also, dann morgen zum Mittagessen? Versprochen? Keine Entschuldigungen?«
»Auf jeden Fall«, versprach Traynor und klopfte Hodges zum Abschied auf die Schulter. »Um punkt zwölf im Iron Horse Inn!«
Mit Erleichterung beobachtete Traynor, wie sein alter Mentor in seiner unverkennbar schwerfälligen Art auf die Eingangshalle des Krankenhauses zuschlurfte. Während Traynor in den Konferenzsaal zurückging, überlegte er, woran es lag, daß dieser Mann es immer wieder schaffte, für Aufregung zu sorgen. Hodges war inzwischen mehr als nur eine Nervensäge. Er entwickelte sich allmählich zu einem echten Störenfried.
»Würden Sie mir bitte wieder zuhören«, rief Traynor in den Saal, in dem noch immer alle durcheinander redeten. »Es tut mir leid, daß ich die Sitzung unterbrechen mußte. Unglücklicherweise hat Dr. Hodges ein besonderes Talent dafür, immer im ungünstigsten Moment in Erscheinung zu treten.«
»Das ist wohl stark untertrieben«, sagte Helen Beaton. »Dr. Hodges kommt andauernd in mein Büro geplatzt, um sich darüber zu beschweren, daß irgendeiner seiner ehemaligen Patienten keine - wie er das bezeichnet - spezielle VIP-Behandlung bekommt. Er führt sich auf, als wäre er noch immer der Leiter des Krankenhauses.«
»Das Essen paßt ihm auch nie«, beschwerte sich Geraldine Polcari.
»Und an der Sauberkeit der Zimmer hat er auch ständig etwas auszusetzen«, fügte Gloria Suarez hinzu. »Mindestens einmal pro Woche erscheint er bei mir im Büro«, sagte Nancy Widner. »Er beschwert sich immer über das gleiche. Seiner Meinung nach kümmern sich die Krankenschwestern nicht schnell genug um die Wünsche seiner ehemaligen Patienten.«
»Er hat sich ja auch selbst zu ihrem Ombudsmann ernannt«, stellte Beaton fest.
»Seine ehemaligen Patienten sind in der ganzen Stadt sowieso die einzigen Menschen, die ihn mögen«, sagte Nancy. »Ansonsten hält ihn fast jeder für einen miesepetrigen, alten Irren.«
»Glauben Sie, er weiß wirklich, wer hinter den Vergewaltigungen steckt?« fragte Patrick Swegler. »Um Gottes willen, nein«, antwortete Nancy. »Der Mann ist nichts weiter als ein großer Aufschneider, der sich wichtig tun will.«
»Was glauben Sie, Mr. Traynor?« insistierte Patrick Swegler.
Traynor zuckte mit den Schultern. »Ich bezweifle, daß er etwas weiß, aber wenn ich ihn morgen treffe, werde ich ihn ganz bestimmt danach fragen.«
»Um dieses Mittagessen beneide ich dich nicht«, sagte Helen Beaton.
»Ich freue mich auch nicht gerade darauf«, gestand Traynor. »Bisher habe ich immer geglaubt, daß man dem alten Mann mit einem gewissen Respekt begegnen sollte, aber - um ehrlich zu sein - langsam reißt auch mir der Geduldsfaden. Aber nun wollen wir endlich wieder zur Sache kommen.«
Traynor hatte schnell wieder Ordnung in die Versammlung gebracht, doch die Freude an der Veranstaltung war ihm an diesem Abend gehörig verdorben worden.
Hodges trottete die Main Street entlang; er lief mitten auf der Straße. Weit und breit waren keine Autos zu sehen. Die Schneepflüge hatten die Straßen noch nicht geräumt. Es waren fünf Zentimeter Neuschnee gefallen. Die ganze Stadt lag unter einer dichten Schneedecke, und es hatte noch immer nicht aufgehört zu schneien. Um seinem anhaltenden Ärger wenigstens etwas Luft zu machen, fluchte Hodges leise vor sich hin. Jetzt, auf seinem Weg nach Hause, war er wütend, weil er sich von Traynor hatte abwimmeln lassen. Als er auf der Höhe des Stadtparks an dem verlassenen, schneebedeckten Aussichtstürmchen angelangt war, konnte er an der Methodistenkirche vorbei in Richtung Norden blicken. Am Ende der Front Street erkannte er in der Ferne das Hauptgebäude des Krankenhauses. Hodges blieb stehen und blickte voller Wehmut auf das Gebäude. Er merkte, wie ihn ein ungutes Gefühl beschlich; ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Sein ganzes Leben hatte er diesem Krankenhaus gewidmet, und dabei hatte er immer nur eines im Sinn gehabt, daß die Bewohner der Stadt von den guten Diensten der Klinik profitieren sollten. Doch jetzt befürchtete er, daß das Krankenhaus seine eigentliche Aufgabe immer weniger erfüllte.
Schließlich
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