Todesengel
leid, daß ich nicht schon früher für die Beleuchtung der Parkplätze gesorgt habe.«
»Wissen wir eigentlich schon, wie unsere Bilanz für diesen Monat aussieht?« fragte Harold. »Ich habe schon befürchtet, daß du diese Frage stellst«, erwiderte Helen. »Mr. Arnsworth hat mir gestern die Zahlen für die erste Monatshälfte gegeben, und sie sehen nicht gut aus. Wenn wir in der zweiten Septemberhälfte ähnliche Zahlen haben, wird die Bilanz im Oktober noch schlechter aussehen. Das neue Bonus-System scheint zwar erste Wirkung zu zeigen, aber die Anzahl der eingewiesenen CMV-Patienten liegt immer noch über unserer Prognose. Und verschärfend kommt hinzu, daß wir leider immer mehr schwerkranke Patienten behandeln müssen.«
»Ich nehme an, wir können das Problem nur lösen, wenn wir noch mehr Wert auf eine optimale Ausnutzung unserer Kapazitäten legen«, sagte Harold. »Unser geniales Programm der ›drastischen Maßnahmen zur optimalen Kapazitätsauslastung‹ muß uns einfach eines Tages einfach retten! Mit Ausnahme des Bonus-Systems haben wir ja nichts mehr in der Hand. Jedenfalls glaube ich kaum, daß uns in der nächsten Zeit noch einmal jemand seine Lebensversicherung vererben wird.«
»Darüber hinaus gibt es noch ein paar weitere kleine Ärgernisse, über die du Bescheid wissen solltest«, sagte Helen. »Unser Arzt Nr. 91 ist rückfällig geworden. Robertson hat ihn erwischt, als er betrunken mit seinem Auto auf dem Bürgersteig herumgekurvt ist.«
»Dann entziehen wir ihm sofort alle Sonderrechte«, sagte Harold ohne zu zögern. »Alkoholkranke Ärzte haben mir in meinem Leben schon genügend Kummer bereitet.« Harold mußte wieder an den nichtsnutzigen Ehemann seiner Schwester denken.
»Okay«, fuhr Helen fort. »Auf das nächste Problem hat mich Sophie Stephangelos hingewiesen, die Oberschwester aus dem Operationssaal. Ihr ist aufgefallen, daß im Laufe des vergangenen Jahres ziemlich viele chirurgische Instrumente gestohlen worden sind. Sie glaubt, daß einer der Chirurgen die Sachen mitgehen läßt.«
»Auch das noch«, seufzte Harold. »Manchmal glaube ich, daß es schlicht unmöglich ist, ein Krankenhaus vernünftig zu führen.«
»Die Schwester hat eine Idee, wie sie den Dieb überführen kann«, sagte Helen. »Und nun bittet sie um unsere Erlaubnis, den Plan realisieren zu dürfen.«
»Die soll sie haben«, erwiderte Harold. »Und wenn sie den Langfinger schnappt, dann wollen wir an ihm ein Exempel statuieren.«
Als David aus seinem Behandlungszimmer kam, war er überrascht, daß Susan ihm keine weiteren Patientenakten auf den Tisch gelegt hatte. »Sind etwa keine Patienten mehr da?« fragte David.
»Sie haben wahnsinnig schnell gearbeitet«, antwortete Susan. »Gönnen Sie sich doch mal eine Pause.« David nutzte die Gelegenheit und lief schnell zur Krankenstation hinüber. Zuerst besuchte er Nikki. Als er ihr Zimmer betrat, wunderte er sich, daß Caroline und Arni auf der Kante ihres Bettes saßen. Irgendwie mußte es den beiden Kindern gelungen sein, sich heimlich in das Krankenhaus zu schleichen. Denn normalerweise ließ man Kinder nur in Begleitung von Erwachsenen in das Gebäude.
»Sie verraten uns doch nicht, Dr. Wilson, oder?« fragte Caroline. Das Mädchen wirkte viel jünger als neun Jahre. Sie sah aus wie ein Kind von sieben oder acht Jahren. »Nein, ich werd’ euch nicht in Schwierigkeiten bringen«, versicherte David. »Aber wieso seid ihr schon so früh hier? Die Schule ist doch noch gar nicht aus.«
»Das war ganz einfach«, erwiderte Arni. »Die Vertretung von Mrs. Kleber blickt überhaupt nicht durch. Die ist total überfordert.«
David richtete seine Aufmerksamkeit auf seine Tochter. »Ich habe mit Dr. Pilsner gesprochen, und er hat gesagt, daß du heute nachmittag nach Hause gehen darfst.«
»Oh, super!« rief Nikki aufgeregt. »Kann ich dann morgen wieder in die Schule gehen?«
»Das weiß ich noch nicht«, erwiderte David. »Darüber müssen wir nachher mit deiner Mutter reden.« Anschließend schaute David bei John Tarlow vorbei, um zu sehen, ob es ihm inzwischen besser ging; außerdem wollte er überprüfen, ob sein Patient mit Flüssigkeit versorgt wurde und alle Untersuchungen in die Wege geleitet worden waren. Als John darüber klagte, daß er sich noch immer nicht besser fühle, empfahl ihm David, sich noch ein wenig zu gedulden; er versicherte ihm, daß es ihm bessergehen werde, sobald der Körper wieder ausreichend Flüssigkeit habe.
Zum
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