Todeserklärung
verbuchen, die auf Dauer nicht zu ignorieren sind! Er greift an! Sie wissen das!«
»Die Sache Pakulla hat ganz andere Dimensionen, als ich vorhin andeutete«, trumpfte Knobel auf und schwieg geheimnisvoll.
»Soweit ich verstanden habe, handelt es sich doch nur um eine schlichte Nachforschungsangelegenheit«, erwiderte der Senior.
»Nein, es dürfte sich nicht um eine schlichte Nachforschungsangelegenheit handeln, die mit den Worten doch nur in der Reihe der Mandate der Kanzlei einen der hinteren Plätze einnehmen müsste.«
»Können wir denn an dem Fall was verdienen?«, fragte Dr. Hübenthal überrascht.
Allein die von Knobel nebulös angedeuteten anderen Dimensionen schienen aus der Angelegenheit nun einen Fall gemacht zu haben.
»Millionen«, zischte Knobel, »es geht in der Konsequenz um Millionen!«
Er malte ein stattliches Vermögen der Erblasserin Esther van Beek aus, von dem er nichts wusste außer dem eindeutigen Hinweis seines Mandanten Gregor Pakulla, dass dessen Tante tatsächlich ein solches hinterlassen haben musste. Aber bei diesem nüchternen Hinweis blieb es nicht, als Knobel am Telefon dem Senior Dr. Hübenthal ein farbenprächtiges Bild dieses Vermögens malte, das er gerade in seiner Fantasie mit leuchtenden Farben bedachte. Von einem riesigen Grundvermögen war die Rede, Bankkonten in Deutschland und Holland, und – damit es besser klang und wirklich nach Geld roch – auch in der Schweiz und in Liechtenstein. Schließlich setzte Knobel, nachdem er Esther van Beek auch noch alle möglichen Wertpapiere angedichtet hatte, noch ein Schloss in Burgund obendrauf.
»Das ist ja ganz außergewöhnlich«, begeisterte sich der Senior. »Was meinen Sie, was Löffke aus diesen Fakten gemacht hätte?«, und er lachte heiser am anderen Ende der Leitung. Knobel hörte ein Knacken, dann ein schweres Atmen. Der Senior hatte sich eine Zigarre angezündet, die Welt war wieder in ihren Fugen.
»Ich bin stolz auf Sie!«, sagte Dr. Hübenthal und beendete das Gespräch.
Knobel war in diesem Moment ebenfalls stolz auf sich, doch der Triumph, mit Löffkes einfacher Strategie zu bluffen, würde sich als Pyrrhussieg erweisen. Unbestreitbar arbeitete sich Löffke tatsächlich nach vorne. Berge von Posteingängen, viele Neumandate und insbesondere die im Computer erfassten Umsatzzahlen sprachen für sich. Knobel hatte soeben ein Luftschloss errichtet, und es war absehbar, dass diese Kulisse alsbald in sich zusammenfallen würde. Folglich musste die Angelegenheit Pakulla tatsächlich zu einem Fall werden und der einzig wichtige Indikator hierfür war das Honorar. Es mochte in den einzelnen Mandanten um Darlehen, Franchiseverträge oder Unternehmenskäufe gehen: Im Ergebnis – und das war die Jahresbilanz der Kanzlei – interessierte nur die Frage, welches Honorar der Fall gebracht hatte. Knobel erinnerte sich an das erste Gespräch mit Pakulla, die Vereinbarung eines Honorars von 200 Euro je Stunde, die Anzahlung Pakullas bei Mandatserteilung und die wenige Tage später überwiesenen weiteren 1000 Euro. Zwischenzeitlich waren in der Summe, insbesondere durch Maries Arbeit, weitere Stunden angefallen, aber eine bemerkenswerte Honorarsumme hatte sich daraus noch nicht entwickelt. Knobel taxierte überschlägig. Er kam nicht einmal auf 1000 Euro. Dieses Ergebnis hatte er im Hinterkopf, als er seinen Mandanten auf dem Handy erreichte.
»Ihr Fall wird kompliziert«, eröffnete er unumwunden und kam gleich zum Wesentlichen:
»Wir brauchen einen erheblichen Vorschuss!«
»Wie viel?«
Knobel langte reichlich zu.
»20.000«, forderte er mit fester Stimme und setzte unsicherer hinzu:
»Wegen der umfangreichen Recherche. Es kommt viel Arbeit auf uns zu!«
»Schon gut, ich beklage mich nicht«, antwortete Pakulla. »Ich überweise Ihnen das Geld. Ich darf die Bankverbindung nutzen, die unten auf der Honorarvereinbarung steht?«
Knobel war zu überrascht, um auf die rhetorische Frage zu antworten. Gern hätte er gefragt, warum Pakulla anstandslos 20.000 Euro Vorschuss leisten wollte. Pakullas Verhalten wich auffällig von dem der meisten Mandanten ab, denen man mit Mühe verständlich machen musste, dass die bereits geleistete anwaltliche Arbeit ihren Preis hatte. Pakulla fragte nicht einmal nach dem voraussichtlichen Umfang und der Art der Recherche. Stattdessen fragte er etwas anderes:
»Was tun Sie, wenn Sie meinen Bruder nicht finden?«
Diese Frage überraschte Knobel fast noch mehr als Pakullas
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