Todeserklärung
zu achten, dass man Schriftstücke, die für einen Mandanten bestimmt sind, in einer Briefsendung zusammenfasst, um Porto zu sparen. Was Sie vorschlagen, produziert Kosten«, meinte sie.
»Soll ich nicht lieber doch telefonisch nachfragen?«
»Nein, nein, es muss schriftlich sein!«, antwortete Knobel bestimmt. »Wir fragen schriftlich und bekommen dann schriftliche Antworten.«
Frau Klabundes fülliger Oberkörper hob und senkte sich mit ihrem Achselzucken und Knobel erklärte:
»Dann haben wir Schriftstücke in der Akte, die sind mehr wert als ein Vermerk über ein geführtes Telefonat.«
Frau Klabundes Unverständnis war mit dieser Antwort nicht gewichen, aber es reduzierte sich bereits auf ein flüchtiges Stirnrunzeln. Die vereinnahmten 50 Euro machten jede weitere Nachfrage und jede weitere praktische Empfehlung entbehrlich und sie bestätigte Knobels Wunsch mit einem nachdrücklichen Kopfnicken.
Am Dienstagmorgen hatte er wie immer mit Lisa gefrühstückt. Sie hatten sich gemeinsam um Malin gekümmert und fanden darin einen Bezugspunkt, in dem sie einander nahe waren. Sie wetteiferten in der Fürsorge um ihre Tochter und redeten nicht über das, was sie entzweite. Morgens vor der Arbeit war dazu keine Zeit und abends nach der Arbeit auch nicht, weil der Alltag mit seinen Lasten drückte und keinen Raum für ein Gespräch ließ, von dessen Ergebnislosigkeit beide wussten und es deshalb auf einen ungewissen Zeitpunkt verschoben. Es gibt vor der Trennung eine Phase der getrennten Gemeinsamkeit, ein Verharren vor dem Auseinandergehen. Darin befanden sie sich jetzt und redeten, wenn sie redeten, ausschließlich über ihr Kind. Und damit sie sich nicht eingestehen mussten, dass sie nicht mehr von sich selbst reden wollten, wiederholten sie sich ständig in dem, was sie über das Kind sagten.
Nach dem Frühstück war Knobel zu Marie gefahren, hatte für das Frühstück mit Marie Brötchen in der Bäckerei Dahlmann auf der Mallinckrodtstraße gekauft und war mit den ofenfrischen Brötchen in die Brunnenstraße gelaufen, hatte beim Eintreten in Maries Wohnung den Duft frischen Kaffees eingesogen und empfand jedes Detail in Maries Wohnung unverwechselbar und begehrenswert.
»Du bist ein Mensch der Brüche«, hatte Marie ihm gesagt, als er sie leidenschaftlich geküsst, sie fest an sich gezogen und ihren Herzschlag gespürt hatte, die Brötchen erst dann auf den Küchentisch legte und dabei anmerkte, dass er bereits gefrühstückt habe.
Dann fuhren sie mit seinem Auto in die Adlerstraße. Marie hatte aus dem La Dolce Vita zwei Paletten mit 0,2-Liter-Gläsern mitgenommen. Die Paletten waren oben mit Geschirrtüchern abgedeckt. Knobel parkte etwas abseits. Die letzten Meter gingen sie zu Fuß. In ihrer Mitte schaukelten die übereinander gestapelten Glaspaletten. Vor dem Haus Nummer 71 angekommen, drückte Knobel zuerst auf den Klingelknopf von Sebastian Pakulla und schellte, als sich erwartungsgemäß nichts tat, dann bei C. Theodoridis, der nach der Anordnung der Klingelknöpfe Sebastians Nachbar sein musste. Sie hatten Glück. Die Tür öffnete sich, und sie stiegen die Treppen bis zum zweiten Stockwerk hoch. Die Gläser klirrten in den Paletten, und Knobel, wie Marie in Jeanshose und einfachem Pullover gekleidet, stellte umständlich die Gläser auf dem Podest ab. Herr Theodoridis war von sportlicher Statur. Unrasiert und mit Jogginganzug bekleidet stand er in der Tür. Knobel betrachtete ihn flüchtig und entschied in Sekundenschnelle über seine nächsten Worte. »Wir sind Freunde von Sebastian Pakulla«, keuchte er.
»Ich bin Jürgen – und das ist meine Freundin Sabine«, erklärte er, hoffend, dass die persönliche Ansprache ohne Nennung von Nachnamen bei Herrn Theodoridis ankam. »Sebastian wird nächste Woche eine Party feiern«, fuhr Knobel fort. »Vermutlich wissen Sie ja bereits davon. Sebastian ist immer rücksichtsvoll und informiert alle vorher, wenn es laut werden könnte.«
Der Grieche stand schweigend in der Tür und musterte wechselnd Knobel und Marie.
»Jedenfalls«, redete Knobel unbeirrt weiter, »hat er uns gebeten, für seine Party Gläser bereitzustellen und uns extra für heute Morgen herbestellt. Und jetzt stehen wir hier, und Sebastian ist nicht da.«
Herr Theodoridis zog die Augenbrauen hoch.
»Bei mir ist das ungünstig«, sagte er in bestem Deutsch, und Knobel fragte sich, warum er gebrochenes Deutsch erwartet hatte.
»Wir wollen Sie auch nicht in Anspruch
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