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Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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zu der sich Knobel gerade selbstzerstörerisch und zum Schaden der Kanzlei entschlossen hatte.
    »Ich weiß doch, mein lieber Knobel«, sagte Dr. Hübenthal sanft, »dass Sie immer an einem neuen Fall arbeiten. Schildern Sie uns doch, womit Sie sich gerade beschäftigen.«
    Hübenthals wache Augen blickten freundlich und aufmunternd.
    Knobel fühlte sich in die Enge getrieben. Dr. Dippelstedt und Frau Meyer-Söhnkesschwiegen, weil sie in dieser heiklen Gesprächssituation ohnehin kein Rederecht hatten und jede Stellungnahme entweder gegen den Senior oder Knobel als dessen Stellvertreter ausfallen und deshalb der eigenen Karriere abträglich sein mussten. Löffkes Augen blickten kampfeslustig und nahmen den ihm gegenüber sitzenden Knobel auch weiterhin ins Visier, als Cevapcici und Pommes Frites serviert wurden.
    »Ich arbeite an dem Fall Pakulla«, erklärte Knobel, skizzierte knapp, worum es ging und empfand seine eigenen Worte als ungelenk und in der Sache schwach. Pakulla gegen Europe Logistics – was für ein Vergleich!
    Löffke stieß ein kurzes grunzendes Lachen aus und streckte sein fleischiges Gesicht in den Schein der über dem Tisch hängenden Lampe. Knobel sah angewidert auf Löffkes von den fettigen Pommes Frites glänzende Mundwinkel.
    » Europe Logistics ist für die Kanzlei eine Lokomotive, das Mandat Pakulla dagegen ein bremsender Waggon«, zischte er.
    »Pakulla ist ja nicht einmal ein Fall! Brudersuche als Mandat der noblen Kanzlei Dr. Hübenthal …«
    Er verdrehte verächtlich die Augen. Natürlich vermied Löffke den korrekten Namen Dr. Hübenthal & Knobel.
    Löffke hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass er angreifen würde, was er in der Vergangenheit auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit getan hatte. Neu war einzig, die Attacke aggressiv und offen zu führen, und Knobel erkannte, dass die Änderung der Strategie zum einen darin begründet war, Dr. Hübenthal unter Druck zu setzen und zum anderen die Erweiterung des Sozienkreises um den Neuling Dr. Dippelstedt eine geeignete Gelegenheit bot, auf die innere Struktur der personell veränderten Sozietät einzuwirken und sie atmosphärisch zu prägen. Natürlich waren nicht die Mandate Lokomotiven oder Waggons. Löffke beanspruchte, in Person die Lokomotive der Kanzlei zu sein und verwies Knobel auf die Rolle des Waggons, der von der Lokomotive gezogen wurde. Knobel hätte seine Abneigung gegen Löffke in Worte fassen und sie nachvollziehbar begründen können. Alle charakterlichen Widerwärtigkeiten des Rivalen lagen auf der Hand, ebenso seine simple und durchschaubare Taktik. Knobel hätte seinem Ekel Ausdruck verleihen können, der sich einstellte, wenn Löffke, wie jetzt, mit einem Zahnstocher Pommesreste aus seinen Zahnzwischenräumen herauspulte und dabei unappetitlich schmatzte. Knobel war sich sicher, dass ein jeder am Tisch ebenso empfand. Aber all dies setzte die nüchternen Fakten nicht außer Kraft, die Löffke für sich verbuchen konnte. Und die lauteten: steigende Umsätze, Akquisition, gewinnträchtige Neumandate wie Europe Logistics und, ob lächerlich oder nicht, meistens Postkönig. Zusätzlich demnächst noch promoviert. Knobel ahnte, wie wichtig dieser Titel für Löffke sein und er darauf bestehen würde, von jedem mit Herr Doktor angeredet zu werden. Zwischen dem Senior und Löffke würde man in der gegenseitigen Anrede auf den Doktor verzichten, weil man im Gespräch unter Doktoren den akademischen Grad stillschweigend einsparte. Aber er, Knobel, würde den einen weiterhin Dr. Hübenthal und den anderen fortan und ohne Ausnahme Dr. Löffke nennen müssen.
     
    Auf den das Mittagessen gewöhnlich beschließenden Slibowitz verzichteten sie heute. Schweigend ging man in die Kanzlei zurück. Die Prozession über den Heiligen Weg erschien länger als sonst, die roten Fußgängerampeln an der Arndtstraße und an der Prinz-Friedrich-Karl-Straße verzögerten ihren Weg weiter, und man war froh, mit dem Eintritt in das herrschaftliche Kanzleigebäude in die eigenen Büros streben und die Tür hinter sich schließen zu können.

9
    Knobel saß kaum hinter seinem Schreibtisch, als sich Dr. Hübenthal über das interne Telefon bei ihm meldete.
    »Mein lieber Knobel«, begann der Senior, und sein Tonfall verriet gleichermaßen Ungeduld und eine gewisse Verärgerung.
    »Ich kann Sie nicht grenzenlos schützen! Sie haben Löffkes Aggressivität bemerkt. Nicht mehr lange und er explodiert! Und in der Tat: er kann Erfolge

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