Todesfahrt: Thriller (German Edition)
freien Kabinen zu bringen. Den unverhofften Passagierinnen machte er mit Gesten begreiflich, den Matrosen zu folgen, und begab sich selbst auf die Brücke.
Sein Erster Offizier Arroso erwartete ihn mit düsterer Miene. »Entschuldigen Sie, Kapitän, aber was soll das?«, fragte er und wies mit dem Kinn auf die Frauen, die gerade den Heckaufbau in Deckhöhe betraten.
»Es handelt sich um Mekkapilgerinnen, die ihr Schiff verpasst und mich gebeten haben, sie nach Mombasa mitzunehmen. Keine Sorge, sie werden uns keine Schwierigkeiten bereiten.«
»Mekkapilgerinnen, die in einem Land wie Saudi-Arabien ohne männliche Begleitung unterwegs sind? Da ist doch etwas faul!«, sagte Arroso nachdenklich.
Wang tat diesen Einwand mit einer Handbewegung ab. »Die Männer werden mit dem richtigen Schiff gefahren sein. Sie kennen doch die Frauen. Wahrscheinlich sind die Mädels zu lange im Basar geblieben, und als sie zum Hafen kamen, war ihr Schiff weg. Aber das soll uns nicht belasten. Die Sache bringt Ihnen übrigens zweihundert Dollar.«
Und dir tausend, fuhr es dem Ersten Offizier durch den Kopf. Wie schon oft bedauerte Arroso, als schlecht bezahlter Offizier auf diesem Schiff fahren zu müssen. Doch die Anteilseigner der Reederei wollten möglichst viel Geld verdienen, und da es auf den Philippinen, in China und anderswo genug ausgebildete Seeleute gab, die bereit waren, für Hungerlöhne zu arbeiten, musste er jeden Job annehmen, den er bekommen konnte.
»Wenn ich wenigstens selbst Kapitän wäre«, murmelte er vor sich hin. Für jeden Dollar, den er außer der Reihe erhielt, verdiente Wang fünf, war aber kein besserer Seemann als er.
»Anker lichten!« Die Stimme des Kapitäns durchbrach das Grübeln seines Ersten Offiziers.
Während Arroso seinen Aufgaben nachging, stand Wang am Steuer und folgte dem Patrouillenboot, das sie wieder auf die offene See hinausgeleitete. Zwar hätte der Kapitän das Ruder seinem Stellvertreter überlassen können, aber er traute Arroso nicht. Führe der Mann die Caroline auf eine Sandbank, käme er als Kapitän in Teufels Küche. Auch wenn die Reederei selbst nicht allzu ehrlich mit ihren Kunden umging, erwartete sie von ihren Schiffsführern absolute Loyalität. Dafür aber zahlte sie viel zu wenig Gehalt.
Eine Stunde später verabschiedete sich das saudische Patrouillenboot, und Wang richtete den Bug der Caroline auf die offene See. Nun konnte er Arroso unbesorgt ans Ruder lassen. Er atmete tief durch, klopfte seinem Ersten Offizier leutselig auf die Schulter und verließ die Brücke. Als er im Freien stand, spürte er den Fahrtwind heiß auf seiner Haut. Noch immer war die Luft voll feiner Sandkörner, die zwischen den Zähnen knirschten.
Auf dem Weg zu seiner Kabine machte er einen Abstecher auf das Deck, auf dem er seinen Passagierinnen Kabinen angewiesen hatte. Diese lagen am Ende des Flures und waren nicht miteinander verbunden. Aber die Frauen hatten sich zu helfen gewusst und vor ihrem Teil des Trakts eine Leine gespannt und Decken und Tücher darübergehängt.
Als Wang sich dem Vorhang näherte, steckte eine Frau den Kopf zwischen den Tüchern heraus und zischte ihn an. Zwar war sie noch immer von Kopf bis Fuß verhüllt, aber sie hatte auf den Gesichtsschleier verzichtet. Wang fand sie noch recht jung und sehr attraktiv.
Mit einer beschwichtigenden Handbewegung blieb er stehen und fragte, ob sie noch etwas benötigten. Wie erwartet verstand sie kein Englisch, sondern antwortete mit zornig klingenden Lauten, die ihm zeigten, dass er unerwünscht war.
»Ich gehe ja schon«, brummte er, schnupperte aber genießerisch. Ein verführerischer Essensduft machte ihm Appetit auf eine andere Mahlzeit als die, die der zum Kochdienst eingeteilte Matrose zubereiten würde. Doch er konnte sich weder bei den Frauen zum Essen einladen noch diese bitten, ihm etwas abzugeben. Seufzend drehte er sich um und suchte seine Kabine auf. Nach der Aufregung dieses Tages hatte er ein wenig Ruhe und Erholung bitter nötig.
ACHT
D
ie Frau lauschte, bis ein Geräusch ihr verriet, dass sich die Kabinentür hinter Wang geschlossen hatte. Dann drehte sie sich zu den anderen um. »Der gierige Kapitän hat sich zurückgezogen!«
Die Anführerin im roten Gewand nickte zufrieden. »Der Mann ist ein Narr und hat es uns sehr leicht gemacht. Kommt mit!« Sie drehte sich um und betrat die hintere der beiden Kabinen. Diese war nicht besonders groß, verfügte aber über vier Kojen sowie eine Anrichte, auf
Weitere Kostenlose Bücher