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Todesfalter

Todesfalter

Titel: Todesfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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Ehebruch käme sie ins Loch und dann ins Eisen. Mit Pech würde man sie brandmarken fürs Leben. Doch seine Hand, die letzte Wärme durch den kalten Rupfen, sagte: keine Angst.
    Tränen schossen Maria in die Augen, als sie ihn antworten hörte: »Si signore. « Er wusste, was kommen würde, sie wussten es beide.
    »Carlo Moretti«, sagte Nützel, der Rat und Lochschöffe mit seiner staubigen Stimme, die nichts gemein hatte mit den geflüsterten Schwüren von eben. »Hört, dass schwere Vorwürfe von der Hebamme Gebhard gegen Euch erhoben werden.«
    Maria wagte es nicht einmal, einen Zipfel des Sackes, unter dem sie verborgen lag, zu heben, um einen Blick auf Carlo zu werfen. Nein, dachte sie nur, nein, nein. Ich sollte aufstehen und sagen, dass nichts an den Verleumdungen dran ist, dass nichts davon wahr sein kann. Aber sie hielt still, voller Angst.
    »Seid Ihr bereit, mitzugehen und Euch zu diesen Anschuldigungen zu äußern?«, fragte der Rat.
    Nein!, schrie es in Maria. Er ist nicht ehrlos. Und ein Mörder schon gar nicht.
    Der Stuckateur blieb stumm. Aber Maria wusste, dass er nickte. Er tat es für sie.
    »Hiermit verhafte ich Euch wegen des Verdachts des Mordes an der Magd Beata Gebhard, auf dass Ihr ins Loch geführt und dort befragt werdet. – Was ist?«, fragte er barsch, als Moretti zögerte.
    »Ist schwer sich trennen von so eine Ort.« Er nickte hinauf zu der Liebesgöttin.
    Nützel schnaufte und hielt sich ein Taschentuch vor den Mund, während er sich auf der Baustelle umsah. »Mörtel und Staub. Das kann ein anderer vollenden.«
     
    Als sie fort waren, warf Maria den Sack ab und atmete wie eine Ertrinkende. Mörtel, dachte sie, und Staub, so viel Staub, dass ich ersticke. Sie ging ans Fenster, um frische Luft zu bekommen, und sah, wie Moretti weggeführt wurde. Der Weg in die Lochgefängnisse war ja wahrhaftig nicht weit. Mörtel und Staub, echote es in ihrem Geist. Dort drüben würde es Finsternis geben. Schimmel und Stroh.
    Sie begann mechanisch ihre Kleider abzuklopfen. Der verräterische Staub musste heraus. Hätte sie doch nur die Unruhe ebenfalls ausklopfen können. Sie kam sich lächerlich vor, entehrt und beschmutzt. Ein Hohn, dass die stille Göttin über ihr noch immer genauso milchweiß und makellos in der Dämmerung schimmerte.

13
    Als sie endlich im dunklen Flur der Goldenen Sonne stand und das beruhigende Widerleuchten des Herdfeuers von den Kacheln der Küchenwand sah, atmete sie auf. Aus der Werkstatt drangen die üblichen Geräusche, aus der Vorratskammer roch es feucht nach Äpfeln und altem Stein. Hier konnte ihr nichts Schlimmes geschehen. Vielleicht hätte sie niemals hier weggehen dürfen. Es war doch ihr Zuhause, der Ort, an den sie hingehörte, wo sie gebraucht wurde, ihre Aufgaben hatte, die sie so ausfüllten, dass sie bisher nach nichts anderem verlangt hatte.
    Was hatte sie nur getan?
    Wie zur Antwort hörte sie ihre Tochter nach ihr rufen. Lenchen hatte wohl die Haustür klappen hören. Wie jeden Abend hockte sie im Bett und wartete auf ihr Ritual.
    Maria reagierte nicht. Sie blieb, wo sie war, und schlug ihren Hinterkopf gegen die Wand. Mein Gott, wie weit war es mit ihnen gekommen. Mit ihm, aber auch mit ihr. Vergessen, alles vergessen, das wäre vermutlich das Beste. Beten und arbeiten und malen und sticken und wieder beten. Zum ersten Mal erschien der weibliche Lebensentwurf ihr von ferne attraktiv. Vergessen Carlos Hände, vergessen vor allem die eigene Leidenschaft, vergessen die Misere, in der sie steckte.
    Die Rufe von oben wurden drängender.
    »Ja, Lenchen, ich komm ja schon.« Sie nahm eine Lampe, zündete sie am Küchenfeuer an und ging schweren Schrittes die Stufen hinauf. Als sie an ihrem Arbeitszimmer vorbeikam, zögerte sie. Da lag es, ihr Refugium. Da waren ihre Kinderchen, ihre Sommer- und Nachtvögel, die sie hegte und erforschte, deren Werden und Wachsen ihr ein Zeichen für die Sinnhaftigkeit der Welt war. Wenn es das gab – Schönheit und Leben –, dann gab es einen Gott.
    Mit aufkeimender Hoffnung trat Maria ein und suchte nach dem Neuankömmling, dem sie vor so kurzer Zeit – oder war es in einem anderen Leben gewesen? – zugesehen hatte. Der zur selben Zeit geschlüpft war wie ihre Liebe zu Carlo. Sie wusste, es war unsinnig, so zu denken, kitschig und falsch. Aber sie sehnte sich plötzlich danach, das Tier zu sehen, als wäre es eine lebendige Bestätigung ihrer Gefühle.
    Sie fand ihn in einer Ecke seiner Schachtel liegend, die Flügel

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