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Todesfalter

Todesfalter

Titel: Todesfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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Für einen Moment erschien ihr vieles möglich.
    »Und was war, das ist vergeben und vergessen. Nicht, Mariechen?«
    »Andreas, ich …«
    »Schsch«, sagte er und stand auf, um sie noch einmal in den Arm zu nehmen. Er hielt ihren Nacken, wie sie es gerne mochte, seine Hand wühlte in ihrem Haar. »Schsch, kein Wort mehr. Zwischen zwei wie uns«, fuhr er fort, »sind keine Worte nötig.«
    Maria dachte an die Jungfern, denen sie versprochen hatte, dass sie miteinander den letzten Lebenstag der Beata rekonstruieren würden. Andreas war ein Teil dieses Tages gewesen. Früher oder später hatte er das Mädchen gesehen. Wenn Maria ihm jetzt zustimmte, könnte sie ihn niemals mehr danach fragen. Sie verriete ihre Freundinnen, verriete Carlo,verriete den Menschen, der sie war.
    »Wir haben doch ein gutes Leben«, murmelte er an ihrem Hals.
    Sie öffnete den Mund, um Ja zu sagen. Aber das Wort blieb ihr im Halse stecken.

14
    Am nächsten Tag, im Kreis ihrer Jungfern, war Maria so in Gedanken versunken, dass es eine Weile dauerte, bis sie bemerkte, was für eine ungewöhnliche Stille in der Runde herrschte. Sie hob den Kopf und begegnete lauter erwartungsvollen Augenpaaren. »Was ist?«, fragte sie gereizt.
    Nervöses Kichern antwortete ihr. Dorothea warf die schwarzen Haare wieder und wieder zurück, und selbst Clara, die strenge, blasse Clara, rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum.
    Ich habe vergessen, ihr für das Geld zu danken, fiel es Maria ein. Spät am Abend war noch die Magd der Imhoffs gekommen mit einer neuen Bestellung für Firnis, mit Geld und einem freundlichen Brief ihrer Herrin. Maria hatte ihn noch nicht beantwortet. Zu viel war ihr durch den Kopf gegangen in jener Nacht, die sie bis zum Morgengrauen in der Küche verbracht hatte. – Und was hatte Clara gestern von ihr wissen wollen? Etwas über Malgründe?
    »Geht es um das Pergament?«, fragte sie, ein wenig steif, denn die seltsame Heiterkeit machte sie unsicher. »Es heißt carta non nata, weil es aus der Haut ungeborener Lämmer gewonnen wird. Man sagt auch Jungfernpergament. Ihr erhaltet es beim Gerber, aber ich bin natürlich gerne bereit, es für dich zu besorgen, Clara. – Was habt ihr denn alle?«, unterbrach sie sich selbst.
    »Ist das dein Ernst?«, platzte Dorothea heraus. »Die ganze Stadt spricht von nichts anderem. Nur du sitzt hier wie blind und taub und schweigst.«
    »Dabei sagst du doch immer, man muss alles mit wachem Auge beobachten und sich seine Gedanken dazu machen«, warf Barbara ein.
    »Das war doch keine Anleitung für Gassenklatsch«, verwahrte Maria Sibylla sich. »Mit der Begründung könnten sich auch die tratschenden Mägde am Brunnen rechtfertigen, wenn sie die Töpfe scheuern.«
    »Wir tratschen nicht.« Susanna strich geziert ihre lichtbraunen Zöpfe zurück. »Egal«, fuhr sie eifrig fort, »hab ich euch schon erzählt, dass bei Paps gestern ein wirklich süßer Magister vorstellig geworden ist, der auch Gedichte macht? Man sagt …«
    »Susanna!«, ermahnte Clara sie. »Thema!«
    Barbara ergriff das Wort. »Vater sagt, Dr. Peller ist ein unfähiger Mann, und er kann mit seinem Gutachten genauso gut den Tisch wischen.«
    »So würde ich das nicht gerade formulieren«, versuchte Maria das harsche Urteil abzumildern.
    »Er sagt auch, alle Doktoren und Magister sind Taugenichtse, die man am besten in der Pegnitz ersäuft, ihre Titel um den Hals gehängt.« Vielsagend schaute sie zu Susanna hinüber.
    Dorothea hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht herauszuprusten.
    »Das hat er bestimmt nicht so gemeint«, wiegelte Clara ab. Dann aber wandte sie sich an Maria. »Du warst doch dabei. Was hat es nun damit auf sich? Ist sie denn ermordet worden?«
    »Papa sagt nämlich, dem Itaker glaubt er auch kein Wort«, warf Barbara noch ein. »Aber dem Rat will er das lieber nicht sagen. Das ist privat.«
    »Natürlich wurde sie ermordet.« Dorothea schaute sich auffordernd in der Runde um. »Wir haben sie doch alle gesehen. Oder, Magdalena?«
    »Auf uns hört doch sowieso niemand«, erwiderte die Angesprochene und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus.
    Maria wunderte sich, dass die sonst so kecke Magdalena so kleinmütig klang. Als Einzige war sie über ihr Sticktuch gebeugt und arbeitete fast verbissen, während die anderen es nicht einmal für nötig gehalten hatten, einen Faden einzufädeln, um Geschäftigkeit vorzutäuschen. Vor sich hatte Magdalena ein halb zerfleddertes Stück Papier mit einem Aquarellbild

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