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Todesfalter

Todesfalter

Titel: Todesfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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Allgemeinen und ihr eigenes im Besonderen heftig lamentiert. Sie hat den Italiener bezichtigt, mit ihrer Tochter die schlimmsten Dinge getrieben zu haben. ›Immerzu war er hinter ihr her wie der Teufel hinter der armen Seele, der Dreckskerl‹, hat sie gelallt und dabei die Tischplatte gestreichelt. Da hat ihr Mann ihr eine runtergehauen!«
    »Was?« – »Er hat sie geschlagen?«
    »Einfach so.« Dorothea machte eine abschließende Geste. »Ohne Vorwarnung und weitere Umstände.« Dabei sah sie nicht unzufrieden aus.
    »Und was hat sie gemacht?« Susanna staunte.
    »Nichts. Weitergetrunken.« Dorothea zuckte mit den Schultern. »Es schien der übliche Gesprächsverlauf gewesen zu sein.« Als sie den vielsagenden Blick bemerkte, mit dem Clara sie auf Bärbel hinwies, räusperte sie sich. »Jedenfalls hat er ihr gesagt, sie soll das Maul hal …, also still sein, sonst würde er sie …. Aber das tut wohl auch nichts zur Sache. Kurz: Er hat ihr vorgeworfen, doch selber hinter dem Italiener, also dem Moretti, her gewesen zu sein und nur, weil der sie nicht hat …, ich meine, weil er sie abgewiesen hat, bräuchte sie jetzt auch nicht rumzuheulen, sich zu grämen, wollte ich sagen.« Sie verstummte und blickte fromm auf ihre gefalteten Hände.
    Clara sah zornig aus. Maria allerdings konnte sich ein Schmunzeln nicht ganz verkneifen. Da hob Dorothea, noch immer gesenkten Kopfes, leicht den Blick und blinzelte ihr zu.
    Maria räusperte sich rasch und raffte den Stoff. »Hat die Hebamme dazu noch irgendwie Stellung genommen?«, fragte sie.
    »Wie man es nimmt.« Dorothea grinste schon wieder. »Sie begann, auf Moretti zu schimpfen, dass der sich überhaupt nichts einzubilden brauche auf was auch immer, ich werde da nicht ins Detail gehen. Jedenfalls fand sie, jeder Straßenköter sei damit ausreichend bestückt, das sei also keine Kunst. Und er könne froh sein, wenn sie sich für ihn interessiere, was sie aber gar nicht tue, nicht ein Stück. Und ihre Tochter auch nicht, die eh nicht, nicht mal mit der Feuerzange. Dafür würde sie schon sorgen. Wenn der Moretti käme, dann würde sie … der arrogante Hund, der.« Dorothea ließ ihren Blick demonstrativ zum Fenster schweifen. »Der Mann dort hat sie wieder verprügelt, und ich bin dann gegangen.«
    Barbara versuchte, die Aussage der Hebamme auf das Wesentliche hin durchzugehen. »Aber war das, was sie da am Ende gesagt hat, nicht so ziemlich das Gegenteil von dem, was sie vorher behauptet hat?«
    »Ist dir das auch aufgefallen?« Dorothea lachte, als wäre das alles ein wunderbarer Scherz. Dann schlug sie sich auf die Knie. »Wenn ihr mich fragt, dann war es so: Sie war hinter dem Stuckateur her, er hat sie abgewiesen, und jetzt will sie ihm eins auswischen.«
    Die Mädchen schwiegen. Für die meisten war das ein ganz schönes Stück Abgrund der menschlichen Seele.
    Endlich sagte Maria: »Das deckt sich jedenfalls mit dem, was er ausgesagt hat.«
    Sofort wandten sich alle Köpfe ihr zu. Gestickt wurde nirgendwo mehr. Die Vorlagenblätter lagen verwaist, Marias Schlüsselblumen sanken langsam zu Boden.
    Clara ergriff die Hand der Malerin, Dorothea umschlang Marias Schulter. Susanna machte Anstalten, sich ihr zu Füßen zu kauern. Nur Bärbel und Magdalena schienen ganz froh um den Abstand zu ihrer Lehrerin zu sein, so als könnten sie damit Raum zwischen sich und die Folterkammer des Lochgefängnisses bringen.
    Maria allerdings fühlte sich bei all der Beachtung unwohl. Sie machte sich los.
    »Im Ernst?«, fragte Clara nach einer Weile. »Er hat ausgesagt, dass sie ihm nachgelaufen ist?« Sie runzelte die Stirn.
    Susanna pflichtete ihr bei: »Das klingt aber ziemlich arrogant. Genau das, was ein Mann sagen würde.«
    »Wenn man ihn gefragt hat, ja«, gab Maria zu. Sie öffnete das Fenster. Ihr war nach frischer Luft. Drunten trieb ein Bauernjunge eine Schar Ziegen über den Platz. Er tat es unter lautem Rufen, mit vielem Rutenschwingen und Schnalzen und vergaß auch nicht, die Filzkappe abzunehmen, um damit zu wedeln. Die Mägde am Brunnen quittierten seinen Auftritt mit demonstrativem Gekicher. Als er eine ansprach, spritzte sie aus einem Eimer nach ihm. Sie alle waren hochzufrieden.
    Maria lehnte das Fenster an. Ihre Finger spielten mit dem Griff. »Zuerst hat Moretti behauptet, er kennt sie überhaupt nicht. Erst nachher … nachher dann hat er was anderes gesagt.«
    »Du meinst, nachdem …«, fing Barbara an, wurde aber von Clara zum Schweigen gebracht.
    Nach einer

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