Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesfalter

Todesfalter

Titel: Todesfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
Vom Netzwerk:
die das sehr übel nehmen würden.«
    Maria verstand, worauf sie hinauswollte. Diese Freunde wohnten in den Häusern am Egidienplatz und hatten Töchter, die malen lernen durften, sie hatten Tischwäsche, die bestickt werden wollte. Sie empfingen die Besuche der Malerin in ihren besten Kleidern bislang gnädig, aber das konnte sich ändern von einem Tag auf den anderen. Und dann war Schluss mit den kleinen Zuverdiensten, die sie über Wasser hielten. Und wer wusste schon, wie sich das auf Andreas und seine Arbeit auswirken würde? Er brauchte den Kontakt zu einem wie Hoffmann, so traurig es sein mochte.
    »Das mit dem Mördersuchen war ja sowieso alles nur ein Spiel«, sagte Barbara. Und Susanna nickte zerstreut.
    »Ich verstehe«, sagte Maria Sibylla und stand auf. Der Raum kam ihr mit einem Mal klein und bedrückend vor, weniger wegen einer konkreten Gefahr als wegen der engen Grenzen, die ihrer Existenz gesetzt waren. Immer schon hatte es diese gegeben, aber hier und heute spürte Maria sie besonders schmerzhaft. »Nein, nein«, sie schüttelte den Kopf, als sie Claras besorgten Blick sah, und lächelte mit Mühe. »Ich bin nicht Dorothea, dass ich mit dem Kopf durch die Wand gehe.«
    »Mir wäre es am liebsten«, erwiderte Clara stirnrunzelnd, »du würdest im Moment nirgendwohin gehen.«
    »Nicht einmal in mein Arbeitszimmer?« Maria strich ihre Röcke glatt. Im Hinausgehen neigte sie sich über Magdalenas Arbeit. »Gib den Tulpenblättern mehr Schwung«, riet sie. »Lass die gedachten Fortsetzungen sich an einem Punkt im Raum treffen. Und nimm ein zweites Grün. Schau auf den Vorplatz, da habe ich eine Tulpe im Topf stehen.«
    Die Mädchen sahen ihr erst verwundert nach, dann öffneten sie das Fenster zur Eingangstür hin und blickten hinaus. Dort neben der Bank war tatsächlich der Rest einer nicht eben gepflegten Anlage, zu der auch ein irdener Topf mit einer bescheidenen rosafarbenen Tulpe zählte. Es war ein Geschenk Claras zu Marias letztem Geburtstag, oder vielmehr ein Raub, den sie den Hesperidengärten ihrer Familie angetan hatte, um die Freundin zu erfreuen.
    »Finger weg, Magdalena. Herrgott, musst du immer alles kaputt machen.« Clara schüttelte den Kopf, als sie feststellte, dass das Mädchen hinausgelangt und eines der Blütenblätter abgerissen hatte, an dem sie jetzt ganz versonnen roch. »Eine Steigerung wäre, es zu essen. Also ehrlich.«
    »Was ist denn da drüben los?«, fragte Dorothea, die sich aus dem Fenster gelehnt hatte, um ein wenig von der wärmenden Sonne abzubekommen. »Was haben die denn so dringend zu bereden?«
    Die gesamte Jungfern-Companie drängte sich neben sie und starrte auf die Nachbarschaft, die von draußen starrten zurück. »Man könnte meinen, sie reden über uns«, stellte Barbara fest, die das am wenigsten gewohnt war.
    »So haben sie bei uns auch geglotzt, als Paps zur ersten Sitzung der Künstlerakademie aufgerufen hat.« Susanna warf den Kopf zurück. »Die guten Nürnberger dachten damals wohl, jetzt kämen die Zigeuner. Oder zumindest sinistre Gestalten im Morgenrock mit Samtbarett.« Sie lächelte bei der Erinnerung an zumindest eine gut gewachsene Gestalt, der ihr Samtbarett durchaus gestanden hatte.
    »Aber uns kennen sie doch schon?«, murmelte Clara, der der Auflauf Sorgen bereitete. »Und was hat der Geistliche da zu tun?«
    »Das ist doch nur der Heuchlin«, meinte Magdalena, »der macht mit Mama Gedichte. Ganz nette eigentlich. Er sagt, ich sähe so schön melancholisch aus.« Sie fügte nicht hinzu, dass ihr das weit lieber war als das Gerede der anderen, die sie albern nannten oder verrückt. »Ich mag das Wort Melancholie.«
    Clara zuckte erschrocken zurück, als dicht unter dem Fenster ein Kopf auftauchte. Es war einer der Jungen aus der Nachbarschaft. Sie versuchte, ihn mit einer Handbewegung wegzuscheuchen, aber er grinste nur und spähte ungeniert über ihre Schulter hinweg in das Zimmer. »Stimmt es, dass sie ’ne tote Maus zu Hause aufhebt, mit Würmern drin?«, fragte er neugierig.
    Clara seufzte. Sie wünschte, sie hätte Nein sagen können. Aber sie hatte selbst schon miterlebt, wie begeistert Maria Sibylla einen halb verwesten Rattenkadaver aufhob, weil sich darauf Maden und Eier befanden. Die Forscherin hatte der Versuchung einfach nicht widerstehen können zu sehen, was für Insekten am Ende daraus schlüpfen würden. Mit etwas Pech befand sich die Leiche noch immer oben im Arbeitszimmer, wo Maria sie im Auge behielt, bis die

Weitere Kostenlose Bücher