Todesfee
mürrisch.
»Ich bin eine
dálaigh
am Gericht der Brehons, und meine Frage ist offizieller Art.«
Serc war immer noch aufmüpfig. »Wenn du bist, was du behauptest, dann musst du doch wissen, wo er ist.«
Fidelma versuchte, ihre Verärgerung zu verbergen.
»Da dein Ehemann verschwunden ist, nehme ich an, dass derjenige, für den er gearbeitet hat, für dich sorgt?«
Die junge Frau hob trotzig ein wenig das Kinn.
»Abaoth sorgt dafür, dass es mir an nichts fehlt.«
|141| »Abaoth? Nicht Olcán?«
»Olcán ist ein lüsterner alter Sack!«, antwortete die junge Frau. »Er ist hergekommen und hat gesagt, er würde sich gern um mich kümmern, wenn ich …« Sie schwieg.
Fidelma war keineswegs überrascht.
»Du weißt nicht, was mit deinem Ehemann geschehen ist?«
»Natürlich nicht. Warum sollte ich das?«
»Ich versuche, herauszufinden, was mit ihm und den anderen passiert ist.«
»Sag mir Bescheid, wenn dir das gelingt. Es würde mich interessieren. Mir ist kalt hier draußen. Bist du jetzt fertig?«
Es war klar, dass es Serc an nichts fehlen würde, obwohl ihr Mann verschwunden war, jetzt nicht und in Zukunft nicht, solange sie sich ihr gutes Aussehen bewahrte.
Es standen noch zwei weitere Familien auf der Liste. Eine war genau wie die ersten beiden, nach denen sich Fidelma erkundigt hatte, nach dem Verschwinden ihres Ernährers aus Eochaill fortgezogen, wahrscheinlich zu Verwandten. An der zweiten Adresse traf Fidelma auf eine füllige Frau mit einem breiten Gesicht, die mehrere Kinder hatte. Sie und ihre Kinder schienen auch keinen Mangel zu leiden. Erneut bekam Fidelma zu hören, dass Abaoth und nicht der geizige Olcán für sie sorgte. Doch wieder erfuhr Fidelma weder über die vermissten Bootsleute noch über ihren letzten Auftrag für Olcán etwas.
In der Morgendämmerung des nächsten Tages gesellte sich Fidelma zu Ross. Sie stieg in sein
curragh
, und die beiden fuhren von Eochaill flussaufwärts. Der Abhainn Mór trug seinen Namen zu Recht. Er war wirklich ein großer Fluss, dessen schwarze Wasser tief und dunkel schimmerten. Sobald sie den Mündungsbereich verlassen hatten und bei dem Ort, der seit heidnischen Zeiten »Landzunge des Heiligen Baums« hieß, einem Hügel mit einer kleinen Festung, die den Fluss bewachte, |142| in den eigentlichen Fluss hineinruderten, wurde die Fahrt interessanter. Sie kamen an den bewaldeten Ufern des immer noch breiten Flusses vorüber. An den Bergflanken zu beiden Seiten ragten Bäume auf, während der Fluss mehr oder weniger gerade nach Norden verlief.
Kleine Bäche mündeten in den Fluss. Fidelma sah nichts, das ihren Verdacht erregte. Ab und zu konnte man vereinzelte Bauernhöfe erkennen, denn jenseits von Dair Inis gab es keine größeren Ansiedlungen mehr.
Ross ließ einen Augenblick die Ruder sinken.
»Hast du irgendetwas bemerkt, das für dich von Interesse ist, Lady?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf.
»Es scheint alles so zu sein, wie es sein sollte.«
»Was hattest du denn erwartet?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Irgendetwas Ungewöhnliches vielleicht.«
Ross seufzte. »Wir sollten bald eine Pause machen und etwas essen. Die Sonne steht schon hoch am Himmel.«
Fidelma lächelte gedankenverloren.
»Der Abhainn Mór ist ein langer Fluss, Lady.« Ross sprach mit leiser Ironie. »Ich nehme an, dass du ihn nicht in seiner ganzen Länge absuchen willst? Er entspringt an den Berghängen im Land der Muscraige Luachra, und das ist weit, weit weg.«
»Keine Sorge, Ross. Was immer mit den Kähnen geschehen ist, es ist vor Lios Mór geschehen. Und ich denke, es ist vor Tau und Tag passiert. Wer immer für ihr Verschwinden verantwortlich war, wollte ja keine Zeugen haben. Und mit Anbruch des Tages hätte er die ja sicherlich bekommen.«
»Nun, die nächste Ansiedlung ist Conns Feld, Ceapach Choinn. |143| Da macht der Fluss eine scharfe Biegung in Richtung Lios Mór. Ich bezweifle, dass sie es vor dem Morgengrauen bis dorthin geschafft haben. Was immer mit ihnen passiert ist, muss lange vor dieser Biegung passiert sein.«
Fidelma war dankbar, dass Ross den Fluss so gut kannte.
Sie fuhren an die Böschung heran, um zu Mittag Brot und Ziegenkäse zu essen und eine Flasche Met miteinander zu teilen. Es war ein warmer, angenehmer Tag, und Fidelma spürte, wie sie unter den hohen Eichen, die von der Böschung aufragten, und beim Gesang der Vögel langsam in einen trägen, schläfrigen Zustand zu versinken begann.
»Wir sollten
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