Todesfee
hatte. Was hast du mit ihm zu tun?«
Fidelma erklärte es ihm und fügte hinzu: »Und was ist mit Abaoth?«
»Von ihm kann ich nichts Schlechtes berichten. Er hatte eine Flotte von drei Schiffen und treibt hauptsächlich mit den fränkischen Häfen Handel. Ich weiß, dass er kürzlich Pech hatte, weil eines seiner Schiffe auf Grund gelaufen ist und von einem Sturm zerstört wurde. Ich glaube, er handelt mit Fellen und tauscht dagegen Wein ein. Aber was Olcán angeht – Entschädigung für die verlorene Ladung? Ich würde keinen Finger krumm machen, um ihm seinen Verlust zu ersetzen. Da würde ich lieber die Diebe bezahlen, dass sie seine Ladung stehlen, zum Ausgleich für all die anderen, die er betrogen hat.«
Fidelma lächelte grimmig.
»Im Augenblick gilt meine Sorge den Bootsleuten, die ebenfalls nicht wieder aufgetaucht sind.«
Ross seufzte und nickte.
»Ich weiß, dass Olcán seine Leute nie gut behandelt hat, aber ich begreife, was du meinst, Fidelma. Ich habe gehört, dass vor kurzem einige Flussschiffer verschwunden sind. Ich wusste nicht, dass sie für Olcán gearbeitet haben. Jetzt, wo du es sagst, fällt mir auf, dass ich in letzter Zeit nicht so viele Kähne von Olcán auf dem Fluss gesehen habe wie sonst.«
Fidelma war neugierig geworden. »Willst du damit sagen, dass du Olcáns Lastkähne erkennen könntest?«
|136| Ross grinste. »Auch Kähne haben Namen, Lady. Und bei Olcáns Kähnen ist am Bug ein Wolfskopf eingebrannt, als Zeichen ihres Besitzers. Wo sollen die Schiffe denn verschwunden sein?«
Sie berichtete ihm, was sie wusste.
»Zwischen Eochaill und Lios Mór?«, überlegte er. »Das sind dreißig Meilen Fluss, vielleicht sogar mehr. Eine lange Strecke, wenn man etwas sucht.«
Fidelma grübelte.
»Irgendetwas an der Sache gefällt mir nicht. Etwas, das Olcán gesagt hat, hat mich nachdenklich gemacht, und dann habe ich es wieder vergessen«, gestand sie Ross. Plötzlich schnipste sie mit den Fingern. »Ich weiß es wieder. Mich hat stutzig gemacht, dass die Kähne nachts verschwunden sind. Dass sie überhaupt nachts gefahren sind.«
Ross schüttelte lächelnd den Kopf.
»Daran ist nichts Ungewöhnliches. Die Nacht ist oft die sicherste Zeit zum Fahren, und Lastkähne kommen da am schnellsten voran. Oft sind tagsüber auf Flüssen wie diesen jede Menge Leute, die sich nicht gut auskennen, mit kleinen Booten unterwegs. Viele
ethurs
versuchen, ihnen aus dem Weg zu gehen, weil sie oft Unfälle verursachen. Also fahren sie lieber nachts.«
»Ich verstehe«, meinte Fidelma enttäuscht. Ross strich sich nachdenklich übers Kinn. »Wann genau sind die Kähne verschwunden?«
»Der zweite heute vor zwei Wochen, der erste vier Wochen zuvor?«, sagte Fidelma. »Hat das etwas zu bedeuten?«
Ross schürzte die Lippen.
»Eigentlich nicht. Nur dass an beiden Tagen Neumond war. Normalerweise meiden die Flussschiffer diese Zeit, wenn sie nachts fahren.«
|137| »Wieso? Gerade hast du doch gesagt, dass sie gern nachts fahren?«
»Aber während der drei Tage des Neumondes nicht. Wir nennen sie nicht umsonst die Zeit des dunklen Mondes, den Tag des Neumonds selbst und je einen Tag davor und danach.«
»Ja, und?«
»Selbst erfahrene Schiffer brauchen das Licht des Mondes auf ihrer Reise. Sie sind zwar gern nachts unterwegs, aber nicht bei völliger Finsternis. Deswegen sprechen wir ja von ›der Zeit des dunklen Mondes‹, weil der Mond da so schwach ist und nur wenig Licht spendet.«
»Natürlich. Der Mond beherrscht die Nacht, und während ›der Zeit des dunklen Mondes‹ geschehen Dinge, die bei Vollmond unmöglich wären, geheime Dinge.«
Ross nickte rasch. »Der Mond ist ein starker Helfer der Seeleute, der König der Nacht. Aber er ist auch ein harter Herrscher. Deswegen haben wir in unserer Sprache so viele Bezeichnungen für ihn, und niemand wagt es, seinen wahren Namen auszusprechen. Sobald ein Seemann den Fuß auf ein Schiff gesetzt hat, darf er das Wort Mond nicht mehr aussprechen und ihn nur noch mit anderen, schönen Namen ansprechen und benennen, zum Beispiel ›König der Nacht‹, ›der Helle‹ oder …«
Fidelma unterbrach ihn.
»Ross, kannst du jemanden finden, der mich flussaufwärts rudern könnte? Ich würde mir gern den Flusslauf zwischen hier und Lios Mór näher ansehen.«
Ross grinste. »Wenn du flussaufwärts fahren willst, Lady, dann bin ich der Richtige. Ich bin an diesem Fluss geboren. Ich habe ganz in der Nähe ein
curragh
7 angebunden.«
|138| »Aber
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