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Todesfessel - Franken-Krimi

Todesfessel - Franken-Krimi

Titel: Todesfessel - Franken-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Backert
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blieb ein winziger Rest Unbehagen, ja, Antipathie zurück. Es kann doch nicht nur die natürliche Abneigung gegen braun gebrannte Selbstdarsteller in ihren dicken Schlitten sein, sinnierte Charly. Nicht nur der gesunde Sozialneid des schlecht bezahlten Polizisten …
    Irgendetwas stimmte mit Langenau nicht. Oder war es seine seltsame Frau, Ann-Sophies Stiefmutter? Eine bildschöne Vietnamesin, Mitte dreißig, die auch nach sieben Jahren Ehe nur Französisch sprechen wollte … Ihr Aussehen, das hautenge Kleid und ihre bis zur Hüfte reichenden schwarz glänzenden Haare hatten sich heute wie ein Lauffeuer unter den Kollegen herumgesprochen.
    Charly konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so oft unter dubiosen Vorwänden im Büro gestört worden war: »Suche dringend den Umlauf von letzter Woche …«, »Hast du die Speisekarte der Finanzamtskantine …?«, »Ist Heinz-Uwe wirklich nicht bei dir …?«
    Vic Leduc schien es nicht zu bemerken, ihr Gatte reagierte umso ausfälliger.
    »Könn’ Sie verflucht noch mal nicht endlich für Ruhe in der Bude sorgen!«
    Charly hatte den Fußweg am Hang des Plattenäckers erreicht. Der steile Anstieg und die einsame Lage waren der Preis für den faszinierenden Panoramablick auf das nächtlich erleuchtete Coburg. Gekrönt von der Veste, markiert durch Morizkirche und Ketschentor.
    Ein Doppelstockzüglein aus Lichtenfels lief langsam in den Spielzeugbahnhof ein. Und über dem Airbus-Zulieferer hing der Halbmond: trügerisch weiß, schwer und unbeweglich.
    Wo war Ann-Sophie?
    * * *
    »Riders on the storm, there’s a killer on the road …«
    Seine leicht geöffneten Lippen glänzten tiefrot, verzückt lächelnd bewegte er sich zum unheilschwangeren Sound der Doors; psychisch wie physisch gleichermaßen fasziniert von der trägen, lasziven Dominanz Jim Morrisons.
    Federleicht schwebten Schlagzeugbesen und Piano durch schweres Gewitter; scheinbar planlos und doch unterschwellig gelenkt und dirigiert wie aus tiefster Finsternis, unheimlich und unaufhaltsam. Eine berauschend leichtfüßige Inszenierung, über sieben Minuten lang … was für eine »Banalität des Bösen« … ein Titel aus dem Bücherregal fiel ihm plötzlich ein, im Zimmer zu Hause, in das er sooft eingesperrt war.
    Was für eine wundervolle Einstimmung …
    Versonnen musterte er sich im Spiegel und strich durch sein langes blondes Haar. Dann zündete er noch ein letztes Teelicht an. Die Doors waren verstummt. Durch die angelehnte Tür hörte er voller Vorfreude, wie das schmerzerfüllte Schluchzen in erschöpftes Wimmern überging …
    * * *
    Wo war Ann-Sophie?
    Charly biss die Zähne zusammen, bevor er die Dusche brutal auf heiß und wieder zurück auf eiskalt drehte. Der Schock kam mit erfreulicher Verzögerung. Die Fitness ist noch nicht ganz zum Teufel, dachte er. Prustend und schnaubend stellte er das Wasser ab und schnappte sich das weiße Handtuch »Skeppsholmen Stockholm« , Souvenir eines denkwürdigen Schweden-Trips Anfang der Neunziger mit Bernie Winter: »Mensch, Alter, Mittsommernacht in Schweden – da geht was ab, das Oktoberfest is ein Kindergeburtstag dagegen!«
    Und Bernie hatte nicht zu viel versprochen. Pamela, mit ihrer Stupsnase und den weizenblonden Augenbrauen … und Livia, ihre kleine Schwester mit dem Knackpo, die mit gefühlten drei Promille noch wie Rallye-Ass Björn Waldegaard über die Landstraße driftete, bis hinab zu der kleinen Hütte am See … Mittsommer in Schweden!
    Spaziergang und Dusche hatten seine Lebensgeister wieder geweckt. Leise vor sich hin pfeifend schlüpfte er in seinen schwarzen adidas-Bademantel, drückte im Wohnzimmer » CD 1« und fläzte sich auf seinen alten Knautschsack. Entspannt wanderte sein Blick über das riesige Platten- und CD -Regal und den übersichtlichen Bücherschrank daneben. Ein Henning Mankell stach ihm ins Auge, »Vor dem Frost«, und rief plötzlich hässliche Bilder in ihm hervor:
    Zwei unschuldige Schwäne, von Tierquälern mit Benzin besprüht und in Brand gesetzt, ängstlich suchten sie hochzufliegen, unter qualvollen Todesschreien stürzten sie brennend ab …
    »War, children, is just a shot away, shot away,
    Love, sister, is just a kiss away, kiss away …«
    Wo war Ann-Sophie?
    * * *
    »Into this house we’re born, into this world we’re thrown … Riders on the storm«.
    Nachdenklich betrachtete er die unscheinbare alte Spielkiste. Ihre grüne Farbe war im Laufe der Jahre verblichen und an den Kanten abgeblättert. Seit vielen

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