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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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Wohnung, stürzte zur Spüle und drehte den Wasserhahn auf. Ich beugte mich tief hinunter und trank in langen Zügen. Puh, wie gut das tat.
    Seine Augen brannten in meinem Rücken. Als ich mich zu ihm umdrehte, flüsterte er: »Tut mir leid.« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Unter dem Bett ragte das Kabel des Laptops hervor. Vielleicht wäre es das Beste gewesen, umzudrehen, hinauszugehen und ihn nie mehr wiederzusehen. Aber das konnte ich nicht.
    »Tabea«, sagte er noch mal und versuchte, das Kabel unauffällig unters Bett zu schieben.
    »Ich weiß, wie ich heiße!« Sollte er meinen Ärger ruhig spüren. »Was ist los mit dir?« Er ließ sich auf sein Bett fallen und starrte auf den grau melierten PVC-Boden. Langsam hob er seine Schultern, ließ sie wieder fallen. Ich stöhnte genervt auf, setzte mich aber neben ihn. Sofort nahm er meine Hand.
    »Verlass mich nicht«, kamen die Worte kaum hörbar über seine Lippen. Und nach einer Weile: »Sonst gehe ich unter. Versinke im Dunkeln. Bitte.«
    »Wow«, ich stöhnte auf. »Geht’s noch ein bisschen melodramatischer?«
    Aber dann fiel mir die Postkarte wieder ein. »Und dich finden sie auch und bringen dich auch um!«
    »David«, sagte nun ich. »Wenn du willst, dass ich bei dir bleibe, musst du mich ein bisschen mehr an deinem Leben teilhaben lassen. Immer einfach abhauen, wenn irgendwas passiert … das geht nicht. Weißt du, ich verstehe einfach nicht, wie du tickst.«
    Er nickte nur.
    »Erzähl mir was«, forderte ich. »Von dir! Was ist dir passiert?«
    Er schüttelte sofort wieder den Kopf. »Ich kann das nicht erzählen. Nicht jetzt.« Er sah auf, sah in mein Gesicht, die schönen Augen bohrten sich in mich, das Flehentliche vermischte sich mit Angst. Ich sollte ganz einfach aufstehen und gehen. Es ging nicht.
    »Hab Geduld!«, bat er mich. »Ich habe bald alles geregelt. Ganz sicher. Dann fängt ein neues Leben an. Glaub mir. Ohne dich – ich weiß nicht …«
    »Was?« Die Haare auf meinen Armen stellten sich auf.
    Er atmete tief. »Ohne dich …«, er stockte. »Ich hätte …«, seine Stimme wurde immer leiser. Am liebsten hätte ich ihn geschüttelt.
    »Ich war einmal kurz davor, mich umzubringen«, sagte er schließlich und sah mich wieder durchdringend an. »Mein Leben war … auseinandergebrochen. Ich bin gerannt und gerannt und dann stand ich plötzlich an dieser Brücke am Brandenburger Ufer. Die Brücke überspannten so gebogene Stahlträger, gut einen halben Meter breit. Auf einen Brückenbogen hatte jemand riesengroß geschmiert: Lasst euch nicht einschüchtern. Seid frei! Was für ein Hohn! Ich konnte einen der Bögen einfach hinaufgehen. Es war
easy. Oben sah ich über den ganzen Veddel-Kanal, überall riesige Container – alles sah nur hässlich aus, trostlos. Ich starrte runter, es waren sicher so neun, zehn Meter. Ich hätte nur diesen kleinen Schritt machen müssen. Noch nicht mal einen Schritt. Einfach nur das Gewicht verlagern. Der Wind rüttelte ziemlich heftig an mir und ich spürte, wie ich mich ihm entgegenstemmte. Wie ich eben nicht aus dem Gleichgewicht geraten wollte. Dann zitterten meine Beine. Total grauenhaft. Ich hatte riesige Angst zu fallen. Und da wusste ich, meine Zeit zum Sterben war noch nicht gekommen. Also bin ich wieder runter. Auf dem Hosenboden. Als ich unten ankam, hab ich nur noch geheult. Wie ein Kleinkind.«
    Ich stand auf. Ich konnte nicht mehr, ließ mich wieder neben ihn fallen, schloss die Arme um seinen Hals, wir ließen uns aufs Bett kippen und dann weinten wir beide. Er stumm und lautlos, ich schluchzend. Irgendwann begannen wir, uns die Tränen aus den Gesichtern zu küssen, enger aneinanderzurutschen, die Trauer wich Sehnsucht, Verlangen, diesem Wunsch, einander so nahe zu kommen, wie es Menschen nur können, und dabei alles zu vergessen, was wehtat und traurig machte.
    Hinterher lagen wir erschöpft und noch verschwitzter als zuvor auf dem feuchten Laken. Noch immer hielten wir uns an den Händen, und obwohl ich weiterhin verwirrt, unsicher und auch ein wenig traurig war, spürte ich das Leben so intensiv wie selten. Es war einfach so, sagte ich mir, Menschen waren nicht immer unkompliziert und einfach. Sie waren nicht flach, eindimensional, sondern dreidimensional, und das sorgte für Tiefe, für Echtheit, für Komplexität – und eben für Chaos. Und wie konnte ich es wagen, mich gleich davonzustehlen, weil es ihm schlecht ging. Das hätte ich mir nie verziehen! Ich musste ihm die Tür

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