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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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Streitigkeiten zwischen Typen, die sich schon ewig kennen. Wahrscheinlich sind’s betrunken gewesen und etwas übermütig.«
    Ich fasste es nicht! Ich spürte, wie mein Unterkiefer verspannte, so sehr musste ich mich beherrschen, nicht loszuschreien. Ich kniete mich zu dem schwerer Verletzten und streichelte seine Hand. Sein Freund kauerte daneben.
    »Lass es«, sagte er leise in gutem Deutsch. »Wir kennen das schon. Immer sind wir schuld. Immer haben wir angefangen. Niemals hat das ganze einen fremdenfeindlichen Hintergrund und wir sollen mal schön dankbar sein, dass wir in diesem friedlichen Land leben dürfen.« Ich konnte es nicht glauben.
    »Echt?«
    Er nickte stumm. Endlich kam der Krankenwagen über den staubigen Weg geruckelt und nahm die drei mit. Die Polizisten hatten noch kurz ihre Personalien aufgenommen und nach einigem Hin und Her eingewilligt, die Eltern zu informieren, aus welchem Krankenhaus sie ihre Kinder abholen konnten. Dann stiegen sie in ihren Dienstwagen und fuhren davon.
    Ich kam mir vor wie auf einem einsamen Planeten. War ich von Außerirdischen entführt worden und musste mir anschauen, wie man in fernen Welten mit Menschen umsprang? Nein. Ich war hier, mitten in Deutschland, mitten in Bayern, in München – der angeblichen Hauptstadt des Widerstandes. Und hatte zuschauen müssen. Ohne etwas tun zu können.
    Ich spürte, wie mir vor hilflosem Zorn Tränen die Wangen hinunterliefen. Ich stürzte mich ins Wasser, tat wütende Schwimmzüge, tauchte tief ein und kam prustend wieder hoch. Ich drosch auf das Wasser ein, das nichts dafür konnte, und langsam, ganz langsam, kühlte ich ab.
    Als ich wieder an Land saß und mich von der Sonne trocknen ließ, kam mir das nächste Problem in den Sinn. Wohin war eigentlich David verschwunden?
    Obwohl mein Mund staubtrocken war und ich höllischen Durst hatte, trat ich kräftig in die Pedale. Das kann nicht sein, das kann nicht sein, sauste die Melodie der Gangschaltung in meinen Ohren. Schon hatte ich die Autobahn überquert, bog in die Riemerstraße ab und folgte dem Weg entlang der immer dörflicher werdenden Landschaft. An der Rennbahn vorbei ging es weiter, bis ich nach ungefähr 20 Minuten völlig erschöpft in der Kunihohstraße ankam. An der Treppe zur Souterrain-Wohnung stand das limettengrüne Fahrrad. Laute Musik dröhnte mir entgegen, metallisch harte Beats, verzerrte Tonfolgen, die man nicht als Melodie beschreiben konnte. Worte gab es auch, aber die wurden so laut geschrien, dass ich keines erkennen konnte. Ich rannte, so schnell es ging, die Treppe hinunter und klopfte gegen die Tür. Klar, er hörte nicht. Ich schlug mit den Fäusten dagegen, es tat sich nichts. Ich versuchte, durchs geschlossene Fenster hineinzuspähen, aber die Gardinen waren zugezogen und ich konnte nichts erkennen. Eventuell war der dunkle Fleck, der hinter den Gardinen hin und her sprang, David.
    Erschöpft ließ ich mich auf die Treppenstufen fallen. In meinem Hals kratzte es vor Trockenheit, der Schweiß schwamm auf meiner Haut. Ich bettete den Kopf auf meinen Armen, die über die Knie hingen. Was war das hier für eine Nummer? Warum war David so komisch? Warum reagierte er in Konfliktsituationen völlig kindisch? So hilflos? Warum sprach er nicht mit mir? Vielleicht hatte Annika recht – vielleicht suchte ich mir tatsächlich immer die falschen Typen aus. Gary kam mir in den Sinn, mein allererster Freund. Er war kleiner als ich gewesen, hibbelig, ständig am Kiffen, zum zweiten Mal sitzen geblieben. Aber mit schönen, großen braunen Augen, wilden Rastalocken und zärtlichen Händen. Ich hatte ein halbes Jahr gebraucht, um zu verstehen, dass er sich niemals ändern würde. Dass er niemals pünktlich sein würde, niemals aufrichtig, niemals zuverlässig. Ich bin mir immer noch sicher, er liebte mich wirklich, aber leider nicht so sehr, dass er sein Handeln danach ausgerichtet hätte.
    Plötzlich wurde mir klar, dass die Musik aufgehört hatte. Erst als das Zwitschern eines Vogels in mein Bewusstsein schlüpfte, hob ich den Kopf. Es war merkwürdig still. Beklemmend.
    Ich rappelte mich hoch, ging an die Tür, horchte kurz, dann klopfte ich. Das Holz war warm, ich ließ die Hand darauf liegen. Ich würde so lange hier stehen bleiben, bis er endlich diese verdammte Tür öffnen würde.
    Im Zimmer raschelte es, ein paar Schritte, dann war er da.
    »Tabea«, flüsterte er. »Ich …« Und dann schwieg er schon wieder. Ich drängte mich an ihm vorbei in die

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