Todesflirt
anders aus und er hätte einen Platz, für den er nicht immer und immer wieder kämpfen müsste. Wobei … diese Fernfolter hat ihren großen Reiz. Bald wird auch noch die gesellschaftliche Ächtung des Delinquenten hinzukommen. Eine ganz neue Dimension. Gut, dass ihm das eingefallen ist. Gut, dass sein Kontaktmann so ein perverses Schwein ist. Und noch besser, dass er ihm einfach alles zur Verfügung stellt, ohne zu fragen. Sie alle wissen: Je weniger man über das Tun des anderen weiß, umso weniger kann einem selbst geschadet werden. Eine Taktik, die sich bewährt hat. Kein Wunder, dass er der Herr ist über Leben und Tod.
6. Kapitel
Die frische Morgenluft machte mich überraschend munter. Ich radelte an den Feldern vorbei, in denen Mohn- und Kornblumen leuchteten. Der Himmel spannte sich in einem betörenden Blau bis zum Horizont. Ich fühlte mich frisch wie schon lange nicht mehr. Endlich hatte ich das Gefühl, ein bisschen von David zu begreifen. Ich war so froh, dass er sich mir geöffnet hatte. Ob ich ihn verurteilte, weil er in seiner Jugend dumme Sachen angestellt hatte? Das hatten wir doch alle!
Ich kann mich noch sehr gut an das Entschuldigungsschreiben und die hart ersparten 50 Euro Fangprämie erinnern, die ich mit 14 an ein Kaufhaus geschickt hatte, weil ich dort Nagellack im Wert von vielleicht drei Euro geklaut hatte – und natürlich erwischt worden war. Ich hatte zwei etwas älteren Freundinnen imponieren wollen, dabei fand ich Nagellack eigentlich total tussig.
Annika bestückte gerade die Regale vor der Eingangstür mit bunten Geranien, Petunien und all den anderen Einheitsblumen, die von deutschen Balkonkleingärtnern so geliebt werden.
»Warste wieder bei deinem neuen Lover?«, fragte sie über die Schulter hinweg und erwartete nicht wirklich eine Antwort. Ich gab ihr auch keine, ging in den Laden, angelte nach einer Schürze und band sie mir um.
»Tabi«, freute sich Juli und fiel mir um den Hals. »Du bist immer weg. Immer weg. Du musst heimkommen«, tadelte sie mich und ich versprach es mit treuherzigem Blick.
»Komm, hilf mir beim Auspacken«, schlug ich ihr dann vor. »Da ist neue Ware angekommen.« Sie folgte mir bereitwillig in den Kühlraum und gemeinsam versorgten wir Blumen, entdornten Rosen, schnitten die Stiele an und stellten sie in wasserbefüllten Eimern auf. Meine Mutter war hochkonzentriert mit einem Gesteck beschäftigt, das gegen Mittag für eine Hochzeit abgeholt werden würde.
Irritiert sah ich auf, als Annikas glockenhelles Lachen durch den Laden hallte. Ich entdeckte sie mit einem Kunden zwischen den hohen Zimmerpflanzen. Sie spielte mit einer Haarsträhne und sah dem Mann ein wenig von unten in die Augen. Annika war mal wieder ganz in ihrem Element! Für das Geschäft war die hübsche Tochter der Inhaberin natürlich ein Gewinn, das mussten wir alle zugeben. Ich grinste. Annika deutete nun zur Verkaufstheke, der Mann nahm einen Topf mit einem schon recht üppigen Bambus und drehte sich um.
Den hatte ich doch schon mal gesehen! Das war … tatsächlich, dieser komische Typ, der mich neulich Abend in seinem Wagen mitgenommen hatte. Den hatte ich schon fast vergessen gehabt. Auch heute trug er wieder diese Musikantenstadl-mäßige Folkloretracht. Ich zog mich ein wenig zurück, irgendwie hatte ich keine Lust, von ihm bemerkt zu werden. Beobachten konnte ich ihn trotzdem. Als er sich nun mit Annika der Kasse näherte, roch ich sogar sein markantes Aftershave bis hier hinten, puh, der hatte aber ganz schön aufgetragen. Annika strahlte ihn über die Kasse hinweg an und der Typ – hatte er nicht Torsten geheißen? - griff tatsächlich nach ihrer Hand, deutete so etwas wie eine Verbeugung an und berührte ganz kurz mit seinen Lippen ihren Handrücken. Annika kicherte und lief rot an. Auch Juli hatte die Szene beobachtet, sie grinste fröhlich und hüpfte nun vor dem Mann zur Ladentür. Als er an ihr vorbeiging, griff sie nach seiner Hand, schüttelte sie kräftig und küsste sie dann. Der Typ lachte laut, entwand Juli seine Hand und wischte die Rückseite an seiner Hose ab. Dann drehte er sich noch mal nach Annika um und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
»Was war das denn für einer?«, fragte ich.
Annika zog eine Schnute und grinste mich dann an. »Das möchtest du wissen, was?«
»Nö«, sagte ich und wandte mich von ihr ab. Immer der beste Trick, um sie zum Reden zu bringen.
»Ich glaube, das wird ein neuer Stammkunde. Der war jetzt schon das dritte Mal da
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