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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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diese Woche – und er ist ziemlich charmant.« Ich schüttelte belustigt den Kopf.
    »Ich finde den ziemlich schleimig – küss die Hand! Wer macht denn so was?«
    »Der ist nett«, schaltete Juli sich in das Gespräch ein. »Hab ihm auch die Hand geküsst.« Ich wuschelte durch ihre Haare, was sie gar nicht mochte.
    »Der ist doof«, sagte ich.
    »Hör auf!« Sie schob mich weg. »Der ist nett. Total nett!«
    »Jedenfalls kauft er immer irgendwelche Zimmerpflanzen«, erzählte Annika. »Er sagt, er hat sich neu eingerichtet und seine Wohnung ist noch so kahl.« Ihr Gesichtsausdruck wirkte regelrecht verklärt.
    »Annika«, entfuhr es mir. »Der Typ sieht total spießig aus!«
    »Na und? Dafür hat er ein gutes Gesicht, ziemlich männlich«, widersprach sie mir. »Dein Max war ja auch nicht gerade der Hingucker. Und dieser depressive Typ, mit dem du jetzt rumhängst, ist auch kein Alphamännchen. Außerdem hat er mir großzügig Trinkgeld gegeben. Weiß gar nicht, was du hast.«
    Ein ungutes Gefühl hatte ich. Aber weil ich es nicht begründen konnte, sagte ich nichts weiter.
    Nachdem die Gärtnerei geschlossen hatte und wir mit dem Aufräumen fertig waren, holte mich David mit dem Fahrrad ab. Wir radelten in die Stadt, wo wir uns wenigstens am Ende des Occupy-Demozuges einreihten, der vom Odeonsplatz über die Sonnenstraße bis zum Sendlinger Tor zog. Dann fuhren wir weiter ins Eine-Welt-Haus und besuchten eine Foto-Ausstellung über Flüchtlinge, die es mit knapper Not geschafft hatten, mit ihren Nussschalen von Nordafrika aus das Meer zu überqueren und in Italien zu landen. Die Bilder bewegten mich stark. Mein Gott, mit welchen Hoffnungen kamen diese Menschen, zum Teil jünger als ich selbst, hierher, nach Europa? Und wie schlecht wurden sie in Empfang genommen, wie Müll, der an den Strand gespült worden war und den man schnellstens wieder loswerden wollte. Sie trugen nichts bei sich außer ihrem Leben, nichts, außer ihrem Vertrauen in die Zukunft.
    »Stell dir vor, das wären wir«, sagte ich zu David, der schweigend die Bilder betrachtete. »Uns geht’s hier allen so verdammt gut, das ist manchmal gar nicht auszuhalten.« Ich schmiegte mich an ihn, umfasste seinen Arm.
    »Stimmt«, erwiderte er leise. »Und eigentlich ist es ja nur Zufall, dass wir in diesem Teil der Welt gelandet sind und nicht als Schwarze oder so mitten in einem Slum geboren wurden. Aber ist es nicht schwierig, ihnen allen hier zu helfen?«
    Ich nagte nachdenklich an meiner Unterlippe. Natürlich wäre es besser, wenn die Herkunftsländer der Flüchtlinge sicher und menschlicher wären, wenn es Nahrung, ärztliche Versorgung und Arbeit für alle gäbe. Aber so lange es das nicht gab, konnten wir doch nicht einfach zuschauen, wie sie verhungerten oder in sinnlosen Kriegen starben.
    »Wenn alle unsere kleinen, süßen Berivans und Momos und Dulgos in ihren Herkunftsländern leben würden und sie hätten nichts zu essen, keine Chance auf Bildung, auf einen Job, das wäre doch furchtbar, oder?«
    Er nickte. »Stimmt. Wenn man persönlich mit ihnen zu tun hat, wachsen sie einem richtig ans Herz.«
    »Ich brauch ein bisschen Sonne«, gestand ich und zog David mit nach draußen, wo von der Caféterrasse leckerer Espressoduft herüberwehte und rhythmische Trommelklänge die viel befahrene Straße vor dem Eine-Welt-Haus vergessen ließen.
    »Wo bist du denn eigentlich eingesetzt ab nächster Woche?«, fragte ich, als wir unseren Cappuccino tranken.
    David zog ratlos die Schultern hoch. »Ich glaub, ich soll die Einrichtungen alle mal abfahren und so ein paar Hausmeister-Jobs erledigen. Übrigens soll ab nächster Woche tatsächlich mein Telefonanschluss funktionieren.«
    »Juchhu«, ich klatschte in die Hände.
    David sah mich sanft kopfschüttelnd an. »Manchmal bist du mir echt ein Rätsel«, sagte er. »Gerade warst du noch tief betrübt wegen all dieser Flüchtlinge – und jetzt alberst du schon wieder rum.«
    »Klar«, lachte ich. »Anders ist diese Welt doch auch nicht zu ertragen.«
    In seiner Einliegerwohnung fühlte ich mich mittlerweile schon so richtig zu Hause. Für alle Fälle hatte ich eine Zahnbürste deponiert und die würde ich auch heute brauchen. David meinte, hier hätten wir mehr Ruhe als bei mir zu Hause und würden niemanden stören. Mir sollte es recht sein.
    Wir waren nach dem Eine-Welt-Haus durch die Innenstadt Richtung Englischen Garten gefahren, hatten den Trommlern zugehört, das süßliche Aroma, das über dem

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