Todesflut: Thriller
um Jungen ging, aber wirklich wissen wollte er es nicht.
»Was hältst du eigentlich von dem Camp, Dad?«, fragte Lani. »Es sieht cool aus, findest du nicht?«
Bilbo, der goldgelbe Terrier der Familie, trank geräuschvoll aus seinem Napf und tröpfelte anschließend den Fußboden voll. Um Zeit zu gewinnen, wischte Kai ihm die Schnauze ab. Als er das nasse Stück Küchenrolle wegwerfen wollte, fiel sein Blick auf den Fernseher. Er konnte etwas von einer Sondermeldung aus Honolulu lesen, aber das Gerät war so leise gestellt, dass er die Nachrichtensprecherin nicht verstand.
»Hallo! Dad? Aufwachen! Darf ich fahren?«
»Ich weiß noch nicht. Wann soll denn die Sache steigen?«
»In der ersten Augustwoche.«
»Ihr seid ein bisschen zu jung dafür.«
»Ich werde im nächsten Monat vierzehn«, protestierte Lani.
Das stimmte, und wie eine Dreizehnjährige sah sie auch nicht aus, sondern eher wie eine Sechzehnjährige. Sie war fünf Zentimeter größer als ihre Mutter und wirkte zum Bedauern ihres Vaters voll entwickelt. Ihr Haar war goldbraun, nicht rotblond wie das der irischstämmigen Rachel, aber sie hatte die zarten Gesichtszüge ihrer Mutter und ihren schlanken athletischen Körperbau. Von ihrem Vater hatte sie die olivfarbene Haut und die mandelförmigen Augen seiner italienisch-japanischen Vorfahren. Sehr zu Kais Leidwesen war seine Tochter mehr als nur hübsch, sie war eine exotische Schönheit. Sie würde bald mit Jungen ausgehen, und davor hatte er Bammel.
»Deine Mutter ist einverstanden?«, fragte er zu Mia gewandt.
Sie nickte. »Ich glaube, Mom braucht mal Ruhe.« Mia war so alt wie Lani, aber sie war klein, dunkel und zierlich. Mit einer schweren Sauerstoffflasche auf dem Rücken konnte Kai sie sich nicht vorstellen.
»Wo ist sie?«
»Sie zieht sich gerade an.«
»Darf ich zum Tauchen?«, fragte Lani.
Nach einer kurzen Pause erwiderte Kai: »Das muss ich mir noch überlegen.«
Lani warf ihrer Freundin einen empörten Blick zu. »Das heißt also nein.«
Kai wedelte mit dem Prospekt. »Es heißt, dass ich diesen Anbieter erst einmal überprüfen möchte, wissen möchte, wie ernst er es mit der Sicherheit nimmt. Sporttauchen ist gefährlich.«
»Du bist schon mindestens fünfzig Mal Tauchen gewesen«, entgegnete Lani schmollend.
»Deshalb weiß ich, wovon ich rede. Außerdem muss ich die Sache mit deiner Mutter besprechen.«
»Sie findet die Idee cool. Wir haben mit ihr und Teresa gesprochen, während du beim Joggen warst.«
»Cool, tatsächlich? Vielleicht sollte ich mal kurz bei ihr anfragen.«
Gewöhnlich begann Rachel montags nicht vor zehn Uhr zu arbeiten, aber heute musste sie früher im Hotel sein, weil sie zum Mittagessen eine Gruppe Kriegsveteranen erwartete. Sie wollte sich vergewissern, ob auch wirklich alles perfekt war, insbesondere da die Gouverneurin von Hawaii eine Rede vor den ehemaligen Soldaten halten würde. Kai rief seine Frau auf dem Handy an.
»Hallo?«, meldete sich Rachel. Im Hintergrund hupte ein Lastwagen. Sie war also noch unterwegs. Selbst an einem Feiertag machte es wenig Spaß, von Ewa Beach nach Honolulu zu fahren.
»Viel Verkehr?«, fragte er und zog sich ins Wohnzimmer zurück, um ungestört reden zu können.
»Wie immer.«
»Du klingst müde.«
»Mit Schlaf war heute Nacht nicht viel. Teresa und ich haben bis in die Puppen getagt. Es ist schön, dass sie mit Mia hier ist, aber am Ende der Woche bin ich vermutlich komplett erledigt. Ist sie bei dir?«
»Ich glaube, sie zieht gerade ihren Badeanzug an.«
»Sie soll mich doch bitte kurz anrufen, wenn sie zum Strand geht.«
»Sag ich ihr. Lani hatte heute Morgen eine Überraschung für mich.«
»Die Sache mit dem Tauchen? Ich finde die Idee großartig.«
»Wirklich?«
»Ja, warum nicht?«
»Weil Lani erst dreizehn ist. Vor fünfzehn kannst du noch nicht einmal deinen Tauchschein machen.«
»Das Programm klingt wunderbar. Beste Lehrer, modernste Anlage, jede Menge Freizeitunternehmungen. Die Mutter einer Mitschülerin hat davon geschwärmt.«
Kai fragte nicht nach, welche Mutter das gewesen war. Kennen würde er sie sowieso nicht. Der Posten des stellvertretenden Direktors im Pacific Tsunami Warning Center war für ihn beruflich ein großer Schritt nach oben gewesen. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass er rund um die Uhr eingespannt sein würde. Mit ihm bestand die gesamte Belegschaft aus nur acht Geophysikern, und zwei davon mussten vierundzwanzig Stunden am Tag Wache schieben. Das
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