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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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›abgetrabt‹.
    Wir sitzen und essen Hamburger mit Ketchup und Pommes, Knut kriegt seine langen Beine knapp unter den Tisch. Er schickt Noël erneut zur Theke, er ist noch immer der Meinung, dass nicht alles vor Kinderohren erörtert werden soll. Offensichtlich muss er etwas loswerden. Er ist alles andere als begeistert. Ich bringe mich und mein Kind in Gefahr, wenn wir durch das verlassene Industrieareal und durch die Drogenszene am Fluss joggen. Ich weiß doch endlich, dort sind Leute, die für Geld alles tun. Ich verdrehe die Augen und seufze demonstrativ, wirklich etwas übergeduldig: »Ach, komm schon. Du müsstest uns loben, da wir uns aufgerafft haben, etwas für unsere Fitness zu tun. Ich stecke bis über beide Ohren in Arbeit.«
    Knut bleibt ernst. Der Bericht des Spezialdienstes ist eingetroffen mit den Resultaten über den Einbruch. Der Sachbearbeiter hat sie Knut gefaxt, er hat Grund, besorgt zu sein: Das Abhörgerät, das schon montiert war und das die Einbrecher zurückgelassen haben, ist ein speziell sensibles Gerät, auf dem Markt noch gar nicht erhältlich. Das heißt, dem Spezialdienst ist es nicht gelungen, sich ein zweites zu beschaffen: Ein westliches Produkt, aller Wahrscheinlichkeit nach in Israel hergestellt. Gerüchteweise arbeitet der französische Geheimdienst seit allerneuester Zeit damit. Sagt dir das etwas? – Knuts Sorge ist ansteckend, meinen etwas gereizten Ton kann ich selbst hören: »Wie käme ich dazu, über Abhörgeräte informiert zu sein, ich bin nicht Kriminologin, ich bin Anwältin, Winkeladvokatin, wenn du weißt, was das heißt, die verdienen nämlich nichts. Eine Abwärtsspirale in immer schlechtere Fälle mit immer weniger Honorar.«
    Genau das meint Knut.
    »Irgendetwas stimmt nicht mit deiner Kanzlei. Ich habe gehört, dass du dazu einvernommen werden sollst, von Spezialisten. Dieses Gerät ist technisch so gut, dass unsere militärische Abwehr es kopieren wird. Das sagt doch alles. Dein Name wird in den Unterlagen angeführt, das ist schlecht.«
    Knut wird belehrend, dann doziert er und er weiß, er nervt mich damit. »Bei einer so teuren Einrichtung muss es um etwas Wichtiges gehen, viel Geld oder viel Ehre. Auch wenn du keine Ahnung hast, steckst du ebenso tief drin, als wenn du meintest, mitschwimmen zu können. Es könnte gefährlich sein und es könnte dich ruinieren. Du bist so ehrenhaft, wenn du mir gegenüber dein Anwaltsgeheimnis betonst, rührend. Offensichtlich hattest du Leute in deinem Keller, die sich nicht darum kümmern, was in irgendeinem Gesetzbuch steht. Noch etwas, wie kommst du dazu, so an die Richtigkeit des Abhörverbots zu glauben? Gesetze sind immer von Menschen gemacht. Was einmal richtig ist, kann bei anderen Umständen falsch sein.«
    Grund zum Streiten. Ich beruhige mich wieder und bin entsetzt von den technischen Details. Derartige Abhöranlagen habe ich mir bisher nicht als meine Welt auch nur berührend vorgestellt. Sie hätten nicht nur die Telefongespräche aufgenommen, sie hätten alle Gespräche, die in meiner Wohnung geführt wurden, weitergeben können, wenn in der Wohnung die kleinste Ergänzungswanze ›verloren‹ worden wäre, in die Fuge des Wohnungstürrahmens geklebt zum Beispiel oder in eine der Ritzen des Eingangsparketts. Diese Anlage kann anscheinend per Funk aus einem Umkreis von achthundert Metern angepeilt werden. Das ist nicht normal. Jetzt müssen sich die hinterletzten dubiosen Dienste fragen, was denn bei mir zu holen sein könnte, wer bei mir aus und ein gehen könnte, mit wem ich verkehre. Also kümmert man sich möglicherweise um mich. Zuletzt ist sogar Knuts Sorge logisch, wenn ›ich und mein Tross‹ an einem gottverlassenen Ort laufen, das ist schlimm.
    Knut hat mir einen Anrufbeantworter mitgebracht, der genau das kann, was dieses Wanzengerät getan hätte, nur von der anderen Seite her. Mit dem eingebauten Zimmermikrofon kann man aufnehmen und von einem Telefonapparat in einem anderen Zimmer lässt sich mithören. Raumüberwachung heißt das offiziell. Das hat nichts mit Polizeiarbeit zu tun, das kannst du bei jedem Discounter kaufen, etwas für Amateure. Auch das entsetzt mich, wo sind wir eigentlich?
    Ein paar Tage hatte ich die Illusion gehätschelt, die Einbrecher hätten sich in der Haustüre geirrt, die bequeme Version.
    Noël soll nicht beunruhigt werden. Eifrig erzählt er Knut vom Ostereiersuchen bei Alja, vom wundervollen Eulenbild, das Alja erhalten hat, davon, dass er Maler werden will,

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