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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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diesem Kommissar, Sven Dornbier, zu tun hast. Zu große Draufgänger sind dazu prädestiniert, über die eigenen Füße zu stolpern.«
    Ich sage es gekonnt von oben her: »Du hast schon recht, Leisetreter sind da weniger gefährdet.«
    Kaum ist er weg, denke ich, er hat den Überfall auf die Kanzlei nicht erwähnt. Ich gehe davon aus, dass er es nicht weiß, das hieße, Knuts Kollegen halten absolut dicht. Wüsste er, dass ich niedergeschlagen wurde, würde ihn auch das maßlos ärgern wegen der Publicity. Ich denke aber doch, er hätte sich nach meiner Beule erkundigt.
    * * *
    Samstagabend, sechs Uhr. Knut ruft an. Er hat mit Dorothy telefoniert, Dorothy lässt Noël und mich grüßen. Wenn ich mit Alja rede, soll ich nicht vergessen, bei ihm war alles eher eine Vermutung, ungesichert, beruhte allein auf Intuition. – Knut redet bittend um einen heißen Brei herum. Alja hat die Fakten. Alja fällt es leichter, mit mir zu reden.
    Ich sage nichts, bin verstimmt und auf der Hut und weiß nicht wovor. Er wird morgen am Sonntag mit Noël eine Kaninchenausstellung besuchen. Alja erwartet mich zum Tee. Knut und Noël werden das Abendessen kochen, auch Uschi ist zum Essen eingeladen.
    »Und Uschi weiß natürlich, was du schon immer gedacht und vermutet und überlegt hast?« Ich bin genervt, er soll es ruhig wissen. »Und Dorothy lässt grüßen und hat geraten, dass anschließend ein nettes Essen alles Mögliche wieder gutmacht. Und Alja wird die richtigen Worte finden, Knut, wofür? Wer sagt, dass ich mit Alja reden will, wo sind wir denn, ich bin doch nicht eure Puppe.« Stille. Knuts Streit mit Alja ist heftig gewesen, das ist keine Bagatelle.
    »Jennifer, bitte, es ist unglaublich wichtig und es eilt in gewisser Weise, bitte vertrau mir!«
    Mein »Ciao« tönt ruppig, soll es sein.
    Ich bin versucht, den Hörer gleich wieder in die Hand zu nehmen, Alja anzurufen, sie anzufahren, ich käme gleich jetzt zu ihr, ich will endlich wissen, was los ist. Doch ich zähle bis zwanzig. Bei dreizehn ist klar, heute Abend wird für Noël und Claas Ranke Risotto gekocht.
    Der Abend verläuft friedlich. Das erste Glas ›Merlot‹ trinken wir schon vor dem Kochen und hören französische Chansons, Claas liebt sie, er ist eben doch etwas älter als ich. Er weiß genau, was sie heißen, summt und singt dazu, lacht, ich verstehe nur bruchstückhaft. Der Wein trinkt sich kühl. Ich fühle mich leicht und etwas abgehoben, höre auf die heisere Stimme Adamos, höre auf das Hin und Her zwischen Claas und Noël, Zwergnilpferde und Kakteen. Zu dritt sitzen wir auf dem Sofa, schauen uns Fotos von Kakteen an. Bei einem dieser Bilder meint Noël erfreut: »Genau so ein Kaktus steht in Aljas Glashaus, nur größer.« Claas zweifelt, die gibt es in Europa nicht. Ich kann mich dazu nicht festlegen, ein großer Kaktus steht dort, doch so genau weiß ich es nicht. Claas bleibt ungläubig, man müsste ihn ja aus einem Sämling gezogen haben, denn in seinen Stacheln ist er hochgiftig, er ließe sich nicht transportieren. Alja Berken gehe in diesem Glashaus ein und aus? Das klinge eher unwahrscheinlich. Noël lässt es sich nicht ausreden. – Wir spielen ›Mensch ärgere dich nicht‹, lachen, ich fühle mich geborgen.
    Noch vor dem Einschlafen drehen sich Noëls Gedanken um Kakteen. Er ist sehr angetan von der Vorstellung, dass es die netten gibt und die anderen, die für die Tiere und die Menschen gefährlich sind. Vor allem für die Menschen aus einem anderen Kontinent, die damit nicht umgehen können, Claas habe gelacht, das sei Kultur. Man kann eine Pfeilspitze in ihren Saft tunken und damit die Haut ritzen, dann wird man gelähmt und erstickt. Wenn du einen Tropfen nimmst, mit Wasser verdünnst und das in einer Wasserpfeife rauchst, dann ist es ein Rauschgift, man meint, man kann fliegen. Zwei Tropfen von diesem Wasser sind ein Schmerzmittel, man schläft gleich ein. Du kannst einen einzigen Tropfen davon nehmen und immer wieder mit Wasser verdünnen, dann ist es Medizin. Wenn du das oft genug trinkst, kann dich die Pfeilspitze nicht mehr töten. So ist das.
    * * *
    Sonntag. Ich sitze bei Alja auf der Veranda im gepolsterten Rattanstuhl. Alja hat eine CD eingelegt, Chopin, Klavierkonzert Nr. 2 in F-Moll, wir schauen in den Landregen, der die Gegend verschleiert. Alja hat einen Cake gebacken, wir trinken Maulbeersirup. Der verwilderte Maulbeerbaum steht in der hinteren Ecke des Gemüsegartens, ist schwach erkennbar. Alja schneidet ihn nie.

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