Todesformel
erleichtert, bin Uschi dankbar, dass sie nichts dagegen hat.
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AUS ALJAS GARTEN: Die Kulturleistung der Menschheit im Agrarsektor wird heute im Unterschied noch zur Aufklärung verachtet; Bauer und Gärtner sind ›Wurzelberufe‹ , der Verstand wird eingesetzt, um die ›Früchte der Erde‹ zu verbessern. Getreide, Obst und Gemüse sind ebenso große Kulturleistungen wie Hammer und Rad. Blumen züchtet der Mensch, weil er Schönheit als Freude empfindet. Der Schönheitssinn ist der Sinn für die Harmonie, die einem kosmischen Maß entspricht. In den Blumen finden wir unseren Körper und unsere Innerlichkeit gespiegelt. Farbe, Geruch und Form haben deshalb ihre Heilwirkung. Aus diesem Grund wären gerade in städtischen Anlagen Blumen bewusst zu pflanzen. Cultura – das Bauern.
Noëls neue Schule ist eine Tagesschule, er kommt also am Mittag nicht nach Hause. Ein Gerichtstermin vom Nachmittag ist geplatzt, Lukas ist den ganzen Tag weg in seinem Computerkurs, das Wetter ist schön. Wenn ich mich jetzt gleich ins Auto setze, bin ich um zehn Uhr zu Kaffee und Croissants in Straßburg, kann bummeln. Um vier Uhr bin ich zurück. Ich muss dies niemandem mit nichts begründen, ich erlaube mir einen Ferientag.
Straßburg – nach dem Autobahnende fahre ich mit meinem ›Jeep‹ mutig in Richtung Innenstadt. Hier, eine klassizistische Fassade mit Bahnhofsuhr, ich stehe im dichten Verkehr direkt auf dem Bahnhofplatz. Vorn links, das muss die Einfahrt zum Bahnhofparking sein, das Schild blinkt freie Plätze‹. Nicht im Traum fahre ich diese Rampe hinunter. Ich kurve durch unbekannte Straßen, werde fündig, gar nicht weit vom Zentrum entfernt. Schon schlendere ich mit anderen Touristen auf dem Quai der träge fließenden Ill entlang. Schließlich erreiche ich den Domplatz, setze mich in eines der Straßencafés. Ich betrachte die vorbeigehenden Leute, blättere in der daliegenden Zeitung. Ein Mann bleibt neben meinem Tisch stehen, fragt, ob hier noch ein Platz frei ist. Viele Stühle sind frei, darauf mache ich ihn aufmerksam. Er setzt sich an den Nebentisch, sehr nah, beginnt gleich zu plaudern. Seine Haare sind hellblond, dünn und strähnig, ein etwas fettes Gesicht, ein gewinnendes Lächeln. Er fragt mich etwas aus, woher und wohin, plaudert über die Weltlage, was sollte ich dazu sagen. Er redet und redet, demonstrativ klappe ich die riesige Zeitung wieder auf, ich bin hier, um meinen freien Tag zu genießen. Er isst nichts, trinkt ein Bier. Erst als er weg ist, denke ich, das war doch einer dieser ehemaligen Studentenführer. Wenn ich ihn erkannte, so muss er sehr bekannt gewesen sein, damals war ich ein kleines Kind. Doch der hieß anders, also war er es nicht.
Zum Abschluss meines Ausflugs betrete ich kurz das Münster, setze mich im Hauptschiff ganz vorn in eine Bank. Nur für einen Moment diesen hohen Raum um mich zu fühlen, an mein Münster zu denken.
Auf der Heimfahrt fühle ich mich gelöst. Ich achte nicht darauf, dass ein unauffälliges Auto immer im gleichen, sehr großen Abstand hinter mir fährt.
Als ich heimkomme, kann ich das Gartentor nicht öffnen. Am Steinpfosten glänzt ein goldenes Schild, ›Anwaltskanzlei Dr. Jennifer D. Bach‹, darunter in den Pfosten eingelassen ein kleiner Kasten mit Zahlenkombination und Gegensprechanlage. Natürlich klingele ich. Aus den Ritzen der Anlage tönt Knuts Stimme, etwas kratzend. Jetzt erst sehe ich die Spuren von frischem Beton. Knut kommt strahlend aus dem Haus, er hat sich einen halben Tag frei genommen. Von jetzt an kann nur mit einer Zahlenkombination geöffnet werden. Die Fenster und die Balkontür sind ebenfalls gesichert, die Kellerfenster ebenfalls. Wer immer unbefugt öffnet, löst einen Alarm aus. »Ihr könnt nicht mehr so ohne Weiteres überrascht werden, so muss ich mich nicht sorgen.«
* * *
Sven ruft an. Er tönt erbittert, ist total überlastet. Heute hat ihn der Erste Staatsanwalt zu einem Zusatzbericht aufgefordert über Sicherheitsmaßnahmen im Untersuchungsgefängnis aus der Sicht der untersuchenden Beamten‹. Es entspricht einem Regierungsratsbeschluss. Der Staatsanwalt verlangt Zusammenstellungen und Tabellen, eine Fleißarbeit von Wochen. Ich schlage vor, dass wir uns im Pub auf ein Bier treffen. Etwas zu essen gibt es dort auch.
Knut freut sich für mich, dass ich ausgehen will, bei Sven sei ich gut aufgehoben. Knut wird wieder hier übernachten. Wir werden trotzdem nicht zu spät zurück sein.
Nach einem Tag im Büro ist
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