Todesformel
Kommissar: Sie mochte Noël. Wie käme sie dazu, sich umzubringen, wenn sie einen Enkel gefunden hat? Sie hat sich nicht wegen einem lausigen Liebhaber umgebracht. Meret Platen hat mir eine seltsame Botschaft hinterlassen. Sie hat das Glück gefunden in Noël und mir. Dieses Glück musste sie aufgeben. Diese Platens wissen nicht, dass es mich gibt, als Tochter der Meret Platen. Für die bin ich die unbedeutende Juristin. Es wird sie nicht freuen. Vorher müssen wir die Wahrheit finden, auf deinem harten Weg.«
Sven drückt meine Hand, ich halte das Steuer ganz fest, bloß jetzt keinen Unfall. Plötzlich wirkt er froh. Seine Stimme ist sicher: »Du kannst auf mich zählen. Ich hätte dir das von gestern nicht erzählt, wenn ich dir nicht vertraute. Komm schon, ich habe mich gestern Nacht entschieden. Wie sagen sie es in deinen Herz-Schmerz-aber-tu-mir-nichtweh-Serien: Wenn es um dich geht, bin ich nicht nur erst recht motiviert, ich werde mein Leben für dich geben, falls du das wünschen solltest – tja, so ist das eben auch im echten Leben.« Er nimmt seine Hand wieder weg. Als ich ihn ansehe, überdeckt er den Ernst mit einem Schelmenlächeln. »Wenn es ernst wird, darf man den Humor nicht verlieren, wie du.«
Ich denke, sie rechnen mit allem, doch das wirklich Böse kennt Humor nicht, kann damit nicht umgehen, scheitert. Und ich denke, ich habe mich in ihn verliebt, doch jetzt ist dafür nicht der richtige Zeitpunkt.
* * *
Wir sitzen, trinken ein Glas Wein, essen Aljas Rhabarberkuchen. Was wollte ich in Straßburg, wenn ich nicht einmal in jenes Parkhaus fuhr?
»Es war nicht nötig, seht ihr denn nicht. Ich hatte eine Hemmung, dort hineinzufahren, ich konnte mir zu gut vorstellen, was dort unten geschah. Also war der Mörder keine Frau und es war kein Profi. Keine Frau fährt in einem menschenleeren Parkhaus vier Stockwerke die Rampe hinunter. Eine Frau hätte ihn oben bei den Kassen in einem blinden Fleck der Überwachungskameras von hinten erstochen. Weil dies die Handschrift einer Frau wäre, hätte ein Profi es genauso gemacht. Es war ein durchschnittlicher Mann, also nicht Chantal Platen-Alt. Doch ich habe ihren Mann gesehen, und innerlich habe ich doch die Augen einer Katze, ihm traue ich es zu. Trägt denn nicht alles seine Handschrift? Er ist es, der dir den Tarif erklären ließ: entweder du spielst mit oder es knallt.«
Ich erzähle von meiner unangenehmen Begegnung mit diesem Mann in Straßburg, der sagte, er heiße Röpke, er log. »Warum eine Lüge, wenn es für ihn wie für mich unwichtig ist, wie er heißt? Jetzt bin ich mir sicher, es war jener, an den ich gleich dachte, ein vor Jahrzehnten berühmter Studentenführer, der hellblonde, weiche, jetzt eben midlife.«
Alja klinkt gleich ein: »Meinst du Robin Poppel? Es war eine Manie jener Jahre, jeder machte sich wichtig mit einem Decknamen. Das war Achims großes Vorbild. Später war er einer der richtigen Stimmungsmacher in Berlin. Dann war ’68 irgendeinmal vorbei und sie alle schrieben ein Buch. Er hat es zu Fernsehsendungen gebracht. Er muss es sein, sieht heute noch so aus wie damals, als könnte er nicht dreißig werden. Hat er dir Informationen entlockt, harmlose? Hat er versucht, dich irgendwie auszuhorchen? Du hast gedacht, es ist nicht wichtig, doch du hast ihm Einzelheiten zu deiner Person, vielleicht über Benno, vielleicht über Knut gesagt? Die damaligen Studenten waren geschult in Gesprächsführung, in Rhetorik, im Aushorchen. Wer das nicht kennt, fällt auf jeden Kniff herein.«
Alja erinnert sich gut, Achim damals, der hat jeweils die Gruppe manipuliert. Genau so, wie ich es eben beschrieb, so bescheuert hat Achim sich damals verhalten, immer etwas verdeckend.
Alja schnalzt mit der Zunge, was soll’s. »Damals glaubte ich an Liebe, er an Politik. Jetzt, da der Teil des Gartens bei der Sonnenuhr zum Buchsgarten wird, ist mir wieder bewusst, wie damals mit einer gewissen Zerstörungslust ›renaturiert‹ wurde, das heißt bewusst kaputt gemacht wurde. In den vergangenen Wochen hatte ich hin und wieder das Gefühl, genau zu jener Zeit einen Kreis zu schließen.«
Wir drängen uns neben Alja, die den Laptop startet. Alja gibt Achims richtigen Namen im Internet ein – ›Fridolin Salms‹.
Er kann es sein – das muss er sein: Ein Fridolin Salms züchtet Tomaten, zwanzig Kilometer östlich von Arles. Die Homepage der Firma ›Salms Tomates & Co.‹ bietet Tomatenstecklinge an, zweiundfünfzig geprüfte Sorten, alle mit
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