Todesformel
mehrfarbiger Abbildung. Bisher wussten wir nicht, dass es echte Würfeltomaten gibt, grüne Tomaten, gelbe Tomaten, Klettertomaten. Monsieur Fridolin Salms sieht man auf zwei Firmenbildern. Auf dem einen mit ›Canotier‹-Strohhut auf dem Kopf, ein Glanzbild-Gärtner. Auf dem anderen Foto steht er in hellgrauem Flanell und ›Ferrari‹-Mütze vor einem Auto, darunter steht ›Daimler‹. Fridolin Salms ist grauhaarig, fett, Säuferfalten. Es kann gut sein, dass er braune Augen hat. Alja meint trotzig, leise, das sei nun einmal so, das sei Achim.
Ich sage: »Sven weiß das von der CD-ROM noch nicht. Wir müssen Sven davon erzählen, schon deshalb, weil wir dann zu dritt sind, das verteilt das Risiko. Es gehört in kein Protokoll.«
Aljas Stimme ist unvermittelt scharf, sie beugt sich nach vorn, blickt Sven durchdringend an. »Ich hasse Polizeiüberfälle. Du hast etwas angeordnet, von dem du meintest, es sei in den Sand gesetzt. Man hat dich hereingelegt. Was deine Leute suchten, das hat man ausgerechnet bei mir finden können, jemand, offensichtlich nicht du. Es war eine CD-ROM mit Forschungsdaten, die Kopie. Es ist ein Film darauf über die Anwendung und Wirkung von Genwaffen, die nach Rasse selektiv wirken, plus allem Anschein nach die dazugehörenden wissenschaftlichen Daten, endlos, verschlüsselt. Ein Schlüssel war nicht dabei. Die Filme sind so menschenverachtend und lebensfeindlich, ethisch moralisch verwerflich, juristisch illegal, dass es besser ist, sie nie gesehen zu haben. So haben wir entschieden. Das Problem ist nur, das Kuvert ist weg.«
Ein Ruck und ich kippe vor Schreck buchstäblich mit dem Stuhl unter den Tisch, ein Gerümpel, ein harter Aufprall. Sven hilft mir auf die Beine. Ich bin entsetzt. Darum hat man mich niedergeschlagen. Jemand konnte die Spur auf meinem PC erkennen. Vielleicht bin ich einem von ihnen direkt schon begegnet. Das sind wirkliche Mörder, mit Blut dran.
Alja ist seltsam ungerührt von meinem Sturz, ich hätte mir das Genick brechen können. Da ist doch etwas nicht zu verstehen. »Die Hausdurchsuchung, die du angeordnet hast, hat genau das gebracht, was sie sollte. Das neue Schloss, das der Schreiner gleichentags angebracht hat, ist unversehrt. In jener Gruppe, die die Tenne gleich zu Beginn stürmte, muss einer ganz genau gewusst haben, wonach er suchte und wo es steckte. Einer wusste, wohin ich innerhalb dieser nun wirklich vielfältigen Gebäude dieses kleine Pappkuvert gesteckt hatte. Nur mein Kopf wusste davon!«
»Die neue Technik, Satellitenüberwachung«, Sven kann es sich vorstellen. Jeder Mensch kann noch im Nachhinein bei jedem seiner Schritte überprüft werden, wenn man Aufwand und Kosten nicht scheut. Es gibt Firmen, die mit Satellitenbildern handeln. Wenn eben ein Satellit über den ›Höhen‹ positioniert war, wenn gerade ein klarer Himmel war, dann ergaben seine Wärmebilder zur fraglichen Zeit die Spur von der Mühle zum Punkt auf der Krete und zurück, dann etwas später die Spur von der Mühle zur Tenne. War der Satellit richtig positioniert, war in der Tenne oben in der Ecke bei diesem Balken ein Wärmefleck zu sehen. Andernfalls konnte man jetzt die Bilder eines anderen Satelliten auf diese Zeit überprüfen. Es hing alles bloß von einem Wolkenloch ab.
Alja stöhnt, auf dem Rückweg hatte es aufgehört zu regnen. »Ich konnte die Lichter auf ›Holsten‹ sehen, eines im Waschhaus und das von Meret Platens Atelier.«
Jetzt rauche ich eine dünne, kleine Zigarette, ich bin nervös. Ich suche nach etwas, rede, etwas gehört zusammen:
Ich werde bespitzelt. Immer begegne ich dem etwa gleichen Typ Männer, oft wechseln sie ein paar unverfängliche Worte mit mir, dann verschwinden sie. Möglicherweise ist meine Stimme eine Art Stempel: eine Begegnung im Buchantiquariat der neuen Schule, er suchte nach einem Kinderbuch; eine Begegnung in der Straße vor unserem Haus. Sven unterbricht: »Und dein Schriftsteller? Er kann kommen, kann gehen, kann Wasser überschwemmen lassen und hat Zeit, ein Kind zu hüten oder auf einen Turm zu steigen.«
»Nein, Claas gehört nicht dazu. Noël vertraut ihm, er hat ein gutes Gespür für Lügen.« Ich denke, heute habe ich ihn zwar nicht gesehen, in den letzten Tagen überhaupt nicht, er schreibt. Andererseits sind da die Ungereimtheiten mit Erna Kockels. Ich fühle, wie ich die Stirn runzle.
»Du zumindest fällst knapp aus meinem Raster, du bist zu groß. Bei dir gehe ich davon aus, dass du echt bist.« Wieder
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