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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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schreckliche Kindheit durchlebt und einen Hass auf Frauen entwickelt hatte. »Ich glaube nicht, dass er studiert hat, trotzdem ist er überdurchschnittlich intelligent.« Danach war die Aufnahme zu Ende.
    Zorn stieg in Sabine hoch. Wenn Sneijder davon überzeugt war, dass es sich um einen jüngeren Täter handelte, warum entlastete dieser Mistkerl dann nicht ihren Vater? Stattdessen hockte er arrogant auf dem roten Sofa in der Haital-Buchhandlung und ließ sie mit ihren Ängsten und Befürchtungen allein.
    Plötzlich tauchte wieder die Assoziation von vorhin auf.
    Brezeln und Tinte!
    Wie kam sie ausgerechnet jetzt darauf? Wieder hatte sie das Bild vor Augen: Sneijder mit übergeschlagenen Beinen auf dem roten Sofa sitzend, dahinter die Regalwand mit den Bilderbüchern. Der Täter hatte eine schreckliche Kindheit durchlebt.
    Und seine Opfer?
    Von Hunden zerfleischt! In einer Blechwanne zu einem Haufen Asche verbrannt! Salzbrezeln gegessen und mit Tinte ertränkt!
    Plötzlich jagte ihr ein Schauer über den Rücken. Ihre Hände wurden kalt, ihre Kopfhaut kribbelte heiß. Bei schrecklicher Kindheit musste sie unwillkürlich an das Bilderbuch vom Struwwelpeter denken, das sie als Kind gehasst hatte, weil darin Kinder verbrannt und von Hunden gebissen wurden. Brezeln und Tinte! War das nicht die Geschichte von den schwarzen Buben, die vom großen Nikolaus in Tinte getaucht wurden?
    Der Struwwelpeter!
    Das war der Zusammenhang zwischen den Morden. Sie blickte auf die Uhr. Die Haital-Filiale hatte bestimmt noch geöffnet. Sie brauchte ein Exemplar des Buches.

     
    Eine Stunde später betrat Sabine die Dienststelle. Mittlerweile war sie seit über vierundzwanzig Stunden wach. Kopfschmerzen kündigten sich an, doch im Moment war sie zu aufgekratzt, um zu schlafen. Auch wenn Sneijder ein gefühlloser und ignoranter Mistkerl war, sie musste mit ihm sprechen. Er war der Einzige, der ihr helfen konnte.
    Die Tür zu seinem umfunktionierten Büro war abgesperrt. Sabine klopfte, doch niemand öffnete. Sie lief in die untere Etage. Er war auch nicht in der Kantine. Da sah sie durch die Milchglastür ihres Büros das Licht ihrer Schreibtischlampe. Dahinter bewegte sich ein Schatten.
    Sie griff automatisch zur Waffe und riss die Tür auf. Sämtliche Schubladen und Schranktüren standen offen, die Ordner lagen auf ihrem Tisch und dem Boden verstreut. »Was zum Teufel …?«
    Sneijder richtete sich mitten in dem Chaos auf. Sein Gesicht war aschfahl, seine Stirn schweißgebadet. »Ah, Mata Hari ist zurück!«
    »Was zum Teufel suchen Sie in meinem Büro?«
    Er streckte die Hand aus. »Die Kassette aus meinem Diktiergerät!«
    So eine Kuhscheiße! Die hatte sie völlig vergessen. Sie griff in die Westentasche und nahm die Mini-Kassette aus dem Gerät.
    »Vielen Dank.« Er steckte das Tonband ein und stieg über einen Berg aus Ordnern. »Wegen Ihnen platzt mir gleich vor Schmerz der Schädel. Cluster ist harmlos im Vergleich zu Ihren Eskapaden! Wenn Sie aus Ihren Fehlern lernen würden, wären Sie ein Genie. Was soll ich nur mit Ihnen anstellen? Vor ein Kriegsgericht zerren und erschießen lassen?«
    Kommentarlos reichte sie ihm ein Exemplar des Bilderbuches Der Struwwelpeter. Mit gelbem Einband und dicken kartonierten Seiten. Auf dem Titelbild prangte der Struwwelpeter, mit leuchtend gelber Mähne und schrecklich langen Fingernägeln.
    »Was soll ich damit?«
    »Einen Blick reinwerfen, Sie Cluster-Genie.«

13
Vier Monate vorher
    Die 4. Therapiesitzung
    Wie schon die letzten Male ging Carl, bevor er an Dr. Rose Harmanns Tür läutete, eine Weile über den Parkplatz und sah sich um. Rose war nicht sicher, was er dort trieb, an diesem kalten Tag im Januar. Er betrachtete das Innere der Autos, als ob es auf den Rückbänken oder Armaturenablagen etwas Interessantes zu entdecken gäbe. Schließlich riss er sich von dem Anblick los und ging zur Eingangstür ihrer Praxis. Pünktlich läutete er.
    Diesmal trug er weder Hemd noch Sakko, sondern ausgewaschene Jeans und einen grauen Pullover unter einem Anorak. Er roch nach Öl, seine Fingerkuppen waren schmutzig. Carl erklärte ihr, dass er direkt von der Autowerkstatt komme, wo er wieder einmal hatte Überstunden schieben müssen. Eine dringende Reparatur an einem Lamborghini.
    Sie nahmen im Therapieraum Platz und Rose schaltete das Diktafon ein.
    »Freitag, 28. Januar, 16.00 Uhr. Vierte Sitzung mit Carl Boni«, sprach sie ins Mikrofon und legte es anschließend auf den Tisch. »Wie geht es

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