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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Schloss klebte die Plombe der Kripo. Helen riss sie kurzerhand herunter und führte den kleineren der beiden Schlüssel ein. Der Zylinder knirschte, als sie den Riegel zur Seite schob. Die Tür sträubte sich, doch Helen drückte sie auf.
    Einen Moment lang zögerte sie. Machte sie sich strafbar, wenn sie diese Wohnung betrat? Andererseits hatte sie bereits Franks Schreibtisch aufgebrochen. Es gab kein Zurück mehr. Sie musste Antworten finden. Helen ging hinein und drückte die Tür hinter sich zu.
     
    Das Apartment war stilvoll eingerichtet. Kunstdrucke an den Wänden, gebundene Lederausgaben von Romanen aus den Siebzigerjahren,
jede Menge Vitrinen, Metallleuchten, ein Glastisch, eine Ledercouch, Orchideen auf den Fensterbänken und eine Küchenzeile in Chrom mit eingearbeiteten Holzpaneelen. Zeig mir, wie du wohnst, und ich sage dir, wer du bist. Doch wer zum Teufel war Anne Lehner?
    Helen erlebte in jedem Zimmer eine neue Überraschung. Die Räume wirkten kühl, aber extravagant. Sie passten nicht zu dem Bild, das sie von Anne hatte. Aber es musste die richtige Wohnung sein. Der Schlüssel passte, es war eingebrochen worden, und das Türschild trug Annes Namen.
    Auf den Kommoden standen Bilderrahmen, doch einige Fotografien fehlten. Ein Foto war sogar in der Mitte auseinandergerissen worden. Hatte Annes Entführer Spuren verwischt, die auf ihn deuteten?
    Helen betrat das Badezimmer. Im Spiegelschrank fand sie nicht nur den üblichen Frauenkram, sondern auch Rasierschaum, Aftershave und einen Nassrasierer. Sie durchlebte ein grausames Déjàvu. Frank verwendete Gilette Mach 3, weil er behauptete, die elektrischen Apparate rissen an seinen Haarwurzeln. Für einen Moment glaubte sie in ihrem eigenen Badezimmer zu stehen, als sie die blaue Originalverpackung der Giletteklinge sah. Außerdem verwendete Frank auch das blaue Ocean -Aftershave von Wilkinson.
    Was hast du erwartet, Dummchen? Dass er einen Schlüssel zu dieser Wohnung besitzt, aber nicht darin duscht und sich rasiert?
    Halt’s Maul!
    Helen schlug die Schranktür zu. Sie starrte in ihr eigenes Spiegelbild. Warum tat er ihr das an? Warum kam er hierher? Wie oft? Jede Woche? War sie nicht gut genug für ihn? Nur zwei Jahre verheiratet und noch dazu vierzehn Jahre jünger! Genügte das nicht?
    Wie in Trance öffnete sie die Duschkabine. In der oberen Eckablage stand eine schwarze Davidoff-Duschgeltube.
    Frank, du bist so berechenbar! Der Duft einer anderen Frau oder der Geruch eines anderen Rasierwassers wäre Helen aufgefallen – und das wusste Frank.

    Was hast du bloß getan, du verdammter Mistkerl?
    Helen schloss die Augen und versuchte, sich in ihren Mann hineinzuversetzen.
    Du kannst Anne am Montagmorgen nicht erreichen. Stattdessen spricht eine merkwürdige Stimme auf ihrer Mobilbox zu dir. Stunden später fährst du zu ihrer Wohnung. Du hoffst, Anne ist zu Hause, denn dein Schlüsselbund liegt in deinem Arbeitszimmer. Aber die Tür wurde aufgebrochen. Du betrittst die Wohnung. Anne ist fort. Panik erfasst dich. Der Einbrecher hat nichts verändert, aber du stürmst durch die Wohnung, nimmst die Bilder aus den Rahmen und reißt jene Teile runter, auf denen du zu sehen bist. Danach wischst du deine Fingerabdrücke ab und machst bei der Kripo eine anonyme Vermisstenanzeige.
    Aber, Frank, du hast einen Fehler begangen. Du warst nicht im Badezimmer! Wie hättest du auch ahnen können, dass ich einen Blick dort hinein werfe?
    Helens Brust wurde so eng, dass sie kaum noch atmen konnte. Eigentlich hatte sie genug gesehen. Sie musste nicht auch noch das Schlafzimmer betreten. Es gab überall genug Hinweise auf Frank. Trotzdem tat sie es. Vielleicht musste sie sich selbst quälen, um ein noch größeres Loch in ihr Herz zu reißen, damit sie Frank noch mehr für alles hassen konnte, was er ihr angetan hatte.
    Vor allem der Anblick des Doppelbetts, der schwarzen Seidenkissen und cremefarbenen Überdecke versetzte ihr einen Stich in die Seele. Frank, bist du in diesem Bett gelegen? Nackt und verschwitzt? Hast du dir mit einem Taschentuch das Sperma vom Glied gewischt? Haben deine Finger nach ihr gerochen?
    Jeden Freitagabend? Tu mir das nicht an …
    Ich pflege dich, wenn du krank bist, und richte dich auf, wenn du einen Fall verloren hast. Tu mir das doch bitte nicht an! Sag mir wenigstens, dass es nur Sex war. Dass du diese Frau nicht liebst!
    Sie öffnete den Nachtschrank und hasste sich im selben Augenblick dafür. Eng geschnittene schwarze Slips, eine

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