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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Kathrin Herrmann sitzt mit im Wagen, deshalb rufe ich an.«
    Â»Dann sagen Sie ihr: Viele Grüße zurück. Ich mache
mich auf den Weg.«
    Â»Alles klar, Chef.«
    Wolfgang steckte das Handy wieder weg. Linde hatte dem
Gespräch gelauscht. Er verschränkte die Arme und lächelte.
    Â»Sie haben also einen Verdächtigen?«
    Â»Wie es aussieht, ja. Abwarten.«
    Â»Dann geht es also jetzt los?«
    Wolfgang erhob sich und stopfte sein Hemd in die Hose.
    Â»Genau. Es geht jetzt los.«
    Â 
    Die Hauspost musste inzwischen eingetroffen sein. Sie
landete zuerst im Büro von Frau Schrade, die sie auf die Fächer der jeweiligen
Mitarbeiter verteilte. Michael lauschte in den Flur. Es war alles ruhig.
Wahrscheinlich war sie gerade mit der Schreibkraft vom Flur gegenüber eine
rauchen gegangen. Seit in den Büros Rauchverbot herrschte, verdrückten sich die
beiden stets in den Innenhof. Dann konnte es manchmal ziemlich lange dauern,
bis sie wieder auftauchten.
    Er nutzte die Gelegenheit und ging hinüber ins Sekretariat.
Der Stapel mit der Hauspost lag noch unangetastet auf dem Besuchertisch. Er
blätterte ihn durch. Für ihn war nur eine Gehaltsabrechnung dabei, sonst
nichts. Er zog sie heraus. Dabei wurde er auf den dunklen Schnellhefter
aufmerksam, der darunter lag. Es war der Bericht der Rechtsmedizin.
    Er hielt in der Bewegung inne und betrachtete das
Deckblatt. Rechtsmedizinisches Gutachten zur Frage der
Todesursache im Fall von Daniel Treczok. Von Dr. med. Viktoria Freythal. Mit dem Finger strich er über den Schriftzug. Der Einband war aus grober Pappe,
er fühlte sich rau und etwas stumpf an.
    Dann zog er das Gutachten aus dem Stapel. Legte es auf
den Tisch und sah es lange an. Darin war also Daniel Treczoks Tod dokumentiert.
Oder vielmehr sein Sterben. Ob er gelitten hatte?
    Er wollte einen kurzen Blick hineinwerfen, doch er
konnte sich nicht überwinden. Wo liegt das Problem?, fragte er sich. Das ist
nur ein Fall. Es hat nichts mit dir zu tun.
    Ein Poltern im Flur. Die Stimme von Frau Schrade. Sie
und die Kollegin kehrten vom Hof zurück. Eilig legte er das Gutachten wieder in
den Stapel, nahm seine Abrechnung und trat in den Flur.
    Er setzte eine unbeteiligte Miene auf, begrüßte die beiden
mit einem Nicken und ging weiter. Frau Schrades Laune hatte sich inzwischen
verbessert, was bedeutete, dass sie ihn schlicht ignorierte und einfach
weiterredete. Entgegen seiner Angewohnheit schloss er die Bürotür hinter sich.
    Er setzte sich wieder. Hier waren nur die fernen Geräusche
der Baustelle zu hören, sonst war alles ruhig. Es fühlte sich an, als schwebte
er in einer Blase. Eine Weile saß er einfach da und sah aus dem Fenster.
    Ihn überkam der Wunsch, eine vertraute Stimme zu hören.
Natürlich nicht irgendeine. Lisas Stimme wollte er hören. Die Sehnsucht war
übergroß. Und wenn er sie einfach anrief? Nur um ein wenig zu plaudern? Sie
konnten übers Wetter sprechen, oder sie erzählte etwas von ihrer Arbeit. Das
war doch ganz normal. So etwas musste man nicht vorher absprechen.
    Er zog sein Handy hervor. Ihre Nummer war eingespeichert,
er musste nur eine Taste drücken. Er zögerte. Sie würden sich in wenigen Stunden
sehen. Ihr gemeinsames Hotelzimmer war bereits reserviert. Nach der Premierenfeier,
über die sie für die Zeitung schreiben sollte, würde sie zu ihm kommen.
Vielleicht wäre es besser, bis dahin zu warten. Sie nicht zu sehr in Anspruch
zu nehmen. Er kannte ihn nämlich gut, diesen Tonfall in ihrer Stimme, wenn sie
unkonzentriert war und nur darauf wartete, ihn unter einen Vorwand abzuwimmeln.
Er konnte sich nicht einfach jedes Mal melden, wenn ihn die Sehnsucht packte.
    Sein Blick wanderte über die verwaisten Schreibtische.
Alles war still. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus. Kurz entschlossen
drückte er die Taste.
    Es läutete zweimal, dann meldete sich eine männliche
Stimme. »Held.«
    Michael erstarrte. Ihr Ehemann. Wie war das möglich?
Schließlich rief er auf dem Handy an, das sie immer bei sich trug. Außerdem war
ihr Mann um diese Zeit doch in der Schule. Er unterrichtete Religion und
Biologie, und am Nachmittag, wenn sie in der Redaktion war, kümmerte er sich um
die Kinder.
    Â»Feldmann vom Tagesspiegel«, sagte Michael. »Bin ich
mit dem Anschluss von Lisa Held verbunden?«
    Â»Ja, das ist meine Frau. Sie hat ihr Handy zu Hause liegen
lassen.«

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