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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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kurz auf.
    Â»Ach, du.«
    Â»Habt ihr ihn aus der Schule geholt?«
    Â»Die Schule ist aus. Guck mal auf die Uhr.«
    Â»Dann wart ihr bei ihm zu Hause?«
    Â»Ja. Nein. Es ist … ach, ich erzähle das später.«
    Â»Er ist aber noch nicht volljährig, oder? Was sagen
denn seine Eltern? Sind die gar nicht hier?«
    Sie warf den Bleistift auf den Schreibtisch.
    Â»Bitte, Michael! Ich möchte mich auf die Vernehmung
vorbereiten.«
    Â»Ja, schon gut. Entschuldige, dass ich Interesse
zeige.«
    Er ließ sie einfach sitzen und ging weiter. Natürlich
hatte sie recht. Es war ein schlechter Zeitpunkt, um Fragen zu stellen. Vor dem
Vernehmungsraum verlangsamte er seine Schritte. Das Zimmer war zugleich das
Büro von Frau Schrade, weshalb nicht nur die üblichen Behördenmöbel darin
standen, sondern auch noch die zahllosen Porzellanelefanten, die die Sekretärin
seit Jahren sammelte und die in ihrer Wohnung längst keinen Platz mehr hatten.
Ganze Elefantenherden waren zu bestaunen. Auf der Fensterbank, in den Regalen
und sogar auf dem Tisch, an dem die Vernehmung geführt wurde.
    Frau Schrade saß bereits vor ihrem Computer, um die
Vernehmung mitzuschreiben. Der Junge hockte ihr gegenüber und wirkte etwas
verloren zwischen zwei großen Porzellanelefanten, die er ansah wie Besucher aus
einer anderen Galaxie. Es war wohl nicht gerade ein Vernehmungsraum, wie er ihn
aus dem Fernsehen kannte.
    Michael blieb stehen und musterte den Jungen. Kurze
blonde Strähnen hingen ihm ins Gesicht, er trug ein weites Skater- T -Shirt, eine breite Kette und Hosen, die viel zu groß
wirkten. Niemals hätte Michael ihn für einen gewalttätigen Jugendlichen
gehalten. Aber da täuschte er sich natürlich nicht zum ersten Mal. Die meisten
Täter sahen eben wie ganz normale Menschen aus.
    Daniel Treczok. Der Name tauchte wieder in seinem
Bewusstsein auf. Michael spürte sofort einen leichten Kopfschmerz. Er wollte
das nicht. Dieser Name durfte keine Macht über ihn haben.
    Das Gesicht des Jungen schien sich zu verändern. Michael
konnte auf einmal Hass darin erahnen. Gierige Augen. Blutrausch. Er und die
anderen. Sie stürzten sich auf Daniel Treczok und schlugen wie von Sinnen auf
ihn ein. Grausam und wild entschlossen, ihn zu töten.
    Michael massierte sich die Schläfen. Die Kopfschmerzen
ließen ein wenig nach. Im Vernehmungsraum saß nur noch ein ängstlicher und
eingeschüchterter Junge.
    Wie konnte der nur zu so was fähig sein? Er war doch
noch ein Kind. Mit seinen blondierten Haaren.
    Â»Alles in Ordnung?«
    Wolfgang war hinter ihm aufgetaucht. Michael machte
einen Schritt zurück.
    Â»Ich … ja, natürlich.«
    Er wandte sich ab und lief zu seinem Büro zurück. Dabei
spürte er Wolfgangs Blick in seinem Rücken.
    Â 
    Kathrin und Wolfgang hatten neben Frau Schrade Platz genommen
und mit der Vernehmung begonnen. Frau Schrade setzte sich ihre strassbesetzte
Lesebrille auf und tippte alles mit, was gesagt wurde. Das tat sie in einer Geschwindigkeit,
die Wolfgang schwindelig machte. Bei ihr musste nur selten eine Befragung
unterbrochen werden, damit sie alles vollständig eingeben konnte. Meist schrieb
sie in der Geschwindigkeit mit, in der gesprochen wurde. Das war eine unschätzbare
Qualität, dafür verzieh Wolfgang ihr sogar diese schrecklichen Porzellanelefanten,
die überall herumstanden.
    Pascal hatte längst gestanden, dass er und seine
Freunde in den vergangenen Wochen wiederholt Schwule im Tiergarten überfallen
hatten. Jetzt ging es nur noch darum, die Namen der anderen zu erfahren. Und
natürlich den Täter der vergangenen Nacht zu identifizieren. Allerdings hatte
Wolfgang das Gefühl, dass dieser Junge hier nichts mit dem Tötungsdelikt zu tun
hatte. Aber das musste sich natürlich erst noch als richtig erweisen.
    Mit seiner ruhigen, tiefen Stimme fuhr er fort: »Du
warst also gestern Abend am Großen Stern und hast dich da mit Freunden getroffen.«
    Der Junge sah ihn an und nickte. In seinem Blick lag
etwas Bittendes. Wolfgang kannte das schon, junge Männer fassten schnell
Vertrauen zu ihm. Er hatte etwas Väterliches an sich, dazu kam seine dunkle
Stimme. Sie wünschten sich, er würde sie aus all dem Schlamassel hier
herausholen. Er würde sie beschützen und alles in Ordnung bringen. Und irgendwo
in einer verborgenen Kammer seines Herzens wünschte sich auch

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