Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
Seine Stimme war freundlich. Ganz offenbar schöpfte er keinen Verdacht.
»Versuchen Sie’s einfach in der Redaktion.«
    Â»Im Kulturressort ist ständig belegt. Ich habe ihre
Durchwahl verlegt.«
    Â»Das ist die 3642. Da ist sie dann selbst am Apparat.«
    Er bedankte sich, obwohl er längst beschlossen hatte,
sie dort nicht anzurufen. Gerade wollte er die Verbindung beenden, da klang es
fröhlich vom anderen Ende: »Grüßen Sie sie von mir!«
    Â»Ja, natürlich. Mache ich.«
    Er drückte das Gespräch weg. Holte tief Luft. Das Bild
ihres Mannes tauchte auf. Ein freundlicher Kerl mit Lachfältchen und einem
klugen Gesicht. Er fragte sich wieder, was sie da nur taten, er und Lisa. Es
war falsch. Und es konnte nicht ewig so weitergehen.
    Als er das Handy zurück in die Tasche stecken wollte,
läutete es plötzlich. Vor Schreck ließ er es fallen. Es überschlug sich auf dem
Linoleum und klingelte erneut. Er hob es auf und sah aufs Display. Es war
Wolfgang.
    Â»Wo bist du gerade?«, fragte der.
    Â»Im Büro.«
    Â»Hervorragend. Ich möchte heute alle noch mal zusammentrommeln.
Wie es aussieht, haben wir eine heiße Spur. Kannst du einen Rundruf starten?
Damit alle – sagen wir in einer Stunde – ins Büro kommen? Ach, und dann frag
doch bitte Frau Schrade, ob sie nicht Lust hat, Kaffee zu kochen und ein paar
Stücke Kuchen zu besorgen.«
    Michael gelang es nicht, sein Aufstöhnen zu unterdrücken.
    Â»Gibt’s ein Problem?«, hakte Wolfgang nach.
    Â»Nicht wirklich. Na ja, das heißt, würde es dir was
ausmachen, sie selber zu fragen? Die guckt mich schon wieder den ganzen Tag so
böse an. Ich will gar nicht wissen, was ich mir anhören muss, wenn ich der mit
so was komme.«
    Wolfgang schwieg. Michael machte sich schon auf einen
entsprechenden Kommentar gefasst. Doch zu seiner Überraschung sagte sein Chef:
»Also gut. Ich frage sie.«
    Michael bedankte sich und beendete erleichtert das Gespräch.
Dann kramte er die Telefonliste hervor und begann die Kollegen zusammenzurufen.
Er war dankbar für diese Ablenkung. Bald wäre wieder Leben auf der Etage. Dann
wäre diese tödliche Stille endlich beendet.
    Â 
    Anna Proschinski wartete im Streifenwagen vor einem
Imbiss in der Lützowstraße, gut zwei Blocks außerhalb der Grenze ihres Polizeiabschnitts.
Jürgen, mit dem sie in dieser Woche Streifendienst schob, war der Ansicht, hier
gab es die besten Pommes der Stadt, und da der Abend ruhig war und sie gerade
keinen Einsatz hatten, war Anna kurzerhand in den benachbarten Abschnitt
gefahren und hatte ihren Kollegen vor dem Imbiss abgesetzt. Jenseits der
Fensterscheiben sah sie ihn mit dem Verkäufer diskutieren. Wahrscheinlich ging
es mal wieder um die Machart der Currysoße. Es konnte also eine Weile dauern.
    Sie ließ sich in ihren Sitz sinken und überblickte die
Straße, an deren Ende eine hohe Mauer stand. Dahinter lag das Brachland des
ungenutzten Güterbahnhofs. Graffiti, brüchiger Asphalt und verbranntes Gras
bestimmten das Bild. Es sah aus, als wäre dort die Welt zu Ende. Wer käme schon
auf die Idee, dass der Potsdamer Platz nur wenige hundert Meter entfernt war.
Hinter der Mauer befand sich der Kink Klub. Sie konnte das schäbige Dach und
den grauen Giebel im Zwielicht einer Laterne erkennen.
    Anna war nur wenige Meter von Tom entfernt. Er musste
schon im Klub sein, um alles für die Nacht vorzubereiten. Geöffnet wurde um
elf, in einer knappen halben Stunde. Bis dahin waren er und seine Kollegen
allein.
    Es wäre ganz einfach. Sie kannte den Weg durch den
Hintereingang, den das Personal nahm. Sie könnte einfach hineingehen, um kurz
Hallo zu sagen, bevor ihrer beider Nachtschicht losging. So wie es die meisten
Paare machen würden. Aber natürlich war das unmöglich.
    Jürgen verließ den Imbiss. Auf den Händen balancierte
er eine riesige Portion Pommes, unter den Arm hatte er eine Flasche Cola geklemmt.
Anna stieß die Beifahrertür auf, und er ließ sich in den Wagen plumpsen. Ein
paar Pommes fielen in den Fußraum. Er reichte ihr umständlich die Colaflasche.
    Â»Hier, für dich.« Dann probierte er die Pommes. »Herrlich.
Ich muss immer wieder feststellen, die sind hier einfach perfekt.«
    Anna lächelte. Sie hielt die Colaflasche vom Körper
weg und schraubte sie auf. Das Getränk schäumte auf und tropfte auf die

Weitere Kostenlose Bücher