Todesgeil
Sie sahen aus wie Skinheads. Das Grinsen auf dem Gesicht der Kleinen war verstörend. Sie sah aus, als mache ihr das alles einen Heidenspaß. Der Typ war schlank und durchtrainiert. Er trug schwarze Jeans und ein schwarzes Button-Up-Shirt mit einem Flammenmuster auf der Brust. Unter anderen Umständen hätte Chuck diese Nieten ausgelacht. Der Kerl sah aus, als würde er ausschließlich bei Hot Topic einkaufen. Und er sah genauso aus wie die Sorte von Typen, der sich mit einer Missy Wallace einlassen würde. Aber irgendetwas an ihm war anders. Vielleicht war es ja nur Wunschdenken, aber Chuck hatte das Gefühl, dass der Typ nicht ganz so drauf war wie Missy und die andere Kleine. Er wirkte nervös. So als habe er Angst. So als wollte er lieber irgendwo anders sein, nur nicht hier. Diese Einsicht war ein erster Hoffnungsschimmer. Zwar nur ein kleiner, aber besser als nichts. Er musste versuchen, an das Gewissen dieses Typs zu appellieren und ihn irgendwie dazu bringen einzugreifen, bevor es zu spät war.
»Rob!«
Der Glatzkopf zuckte zusammen, als Missy seinen Namen schnauzte. »Ja?«
»Ich habe einen Job für dich.«
Rob verzog das Gesicht. »Was denn?«
Ja. Der Kerl steht eindeutig nicht auf den Scheiß. Und trotzdem ist er hier. Willensschwacher kleiner Bastard!
»Ich brauche dich, um die Möbel umzustellen.« Missy ließ Chuck nicht aus den Augen, während sie ihre Befehle gab. Und sie hörte auch nicht auf zu lächeln. Und auch der Revolver bewegte sich keinen Millimeter. Unentwegt zielte er auf Chucks Gesicht. »Schieb’ diese gottverdammte Couch aus dem Weg, rüber zum Fernsehschrank. Dann holst du die Stühle vom Tisch und stellst sie in einer Reihe auf.«
Mit offenkundigem Widerwillen machte Rob sich an die Arbeit. So lustlos, wie er sich bewegte, wirkte er wie ein müder alter Mann. Dabei konnte er nur wenige Jahre älter sein als Chuck, doch der gequälte, abwesende Ausdruck in seinen Augen ließ ihn wie einen Kriegsveteranen erscheinen, der von einem Einsatz heimkehrte. Dennoch hatte er innerhalb weniger Minuten alles erledigt. Die Couch stand vor dem Fernsehschrank und vier Stahlrohrstühle waren fein säuberlich nebeneinander mit Blick auf die Kochnische aufgereiht.
Missy bewegte sich von Chuck weg und richtete die Waffe auf Joe. »Du setzt dich da hin.«
Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf einen der Stühle.
Joe wankte hinüber und ließ sich auf den Stuhl fallen. Tränen rannen ihm über die Wangen. »Bitte. Ich will nicht sterben. Bitte ...«
»Halt’s Maul oder ich schieße dir die Eier ab.«
Joe hörte auf zu betteln, doch seine Tränen liefen ungehemmt weiter.
Missy beorderte Sean und Annalisa auf die beiden mittleren Stühle und ließ Chuck rechts außen an der Balkontür Platz nehmen. Chuck blickte auf die zersplitterte Tür und versuchte telepathischen Kontakt zu Zoe aufzunehmen, damit sie wegblieb. Es mochte lächerlich sein, doch was konnte er sonst tun? Er zwang sich, nicht mehr zur Tür zu blicken. Er wollte nicht, dass Missy Verdacht schöpfte.
Missy kniete sich hin, stellte ihre große Leinentasche auf dem Boden ab, zog ein paar Kleider heraus und warf sie beiseite. Sie langte noch einmal in die Tasche und brachte eine Plastiktüte mit dem Logo von Walgreens zum Vorschein. Sie öffnete die Walgreens-Tüte und leerte ihren Inhalt auf den Boden.
Zahllose Rollen graues Klebeband. Ein gutes Dutzend, vielleicht mehr.
Chuck stöhnte innerlich auf.
Die Lage war bereits zu zwei Dritteln beschissen, aber die Aussicht, gefesselt zu werden, machte alles noch schlimmer. Dann wäre er wirklich hilflos, unfähig sich zu wehren oder Widerstand zu leisten. Vielleicht sollte er alles auf eine Karte setzen und versuchen zu entkommen, solange seine Arme und Beine noch frei waren.
Anscheinend ahnte Missy, was ihm durch den Kopf ging.
Sie erhob sich und war mit zwei Schritten bei ihm. Diesmal hatte er den Revolverlauf direkt im Gesicht. Instinktiv wich er zurück.
»Du wirst mir nicht abhauen, Arschloch!«
Am liebsten hätte Chuck laut losgeheult, doch irgendwie kamen einfach keine Tränen.
Innerlich war er wie taub.
Rob und die beiden Mädchen hoben die Rollen mit dem Klebeband auf und machten sich daran, die vier an die Stühle zu fesseln. Rob fing mit Chuck an. Er zerrte ihm die Handgelenke hinter der Lehne zusammen und umwickelte sie mehr als ein Dutzend Mal mit Klebeband. Der Dreckskerl war ziemlich gründlich. Chuck versuchte seine Hände zu bewegen. Das Klebeband gab kein
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