Todesgeil
bisschen nach. Vielleicht mochte der Kerl nicht so darauf stehen, aber es war klar, dass er alles tat, was Missy von ihm verlangte. Chucks letzter Hoffnungsfunke erstarb, als Rob eine ganze Rolle Klebeband darauf verwandte, ihm die Beine an den Stuhl zu fesseln.
Ja. Äußerst gründlich.
Wie ein KZ-Aufseher.
Chuck blickte Emily an und legte die Stirn in Falten. Ihr hatten sie noch gar nichts getan. Sie schien auch gar keine Angst mehr zu haben. Ja, sie grinste sogar und in ihren Augen funkelte die gleiche irre Verzückung, die er bei dem jüngeren der beiden Mädchen gesehen hatte.
»Emily ...«
Ehe er es sich versah, schlug sie ihm mit der Hand ins Gesicht. Der Schlag riss seinen Kopf nach rechts. Er war so fest, dass seine Wange brannte, doch das war nichts, verglichen mit dem, was kam, als sie erneut ausholte und mit dem Handrücken zuschlug. Ihre Knöchel brachen ihm die Nase, die ohnehin bereits von den Prügeln schmerzte, die er diese Woche bezogen hatte. Der Schmerz schoss ihm wie ein Stich mitten durch den Kopf. Sie schlug noch mehrere Male zu. Während der ganzen Zeit bekam er dunkel die verwirrten, überraschten Stimmen seiner Freunde mit. Sogar Joe wollte wissen, was zur Hölle in sie gefahren war.
Emily hörte auf zu schlagen und packte ihn im Haar, um seinen Kopf ruhig zu halten. Mit tränenverschleiertem Blick sah er sie an. Sie spuckte ihm ins Gesicht. »Meine Hand tut weh!«
Er hustete und blinzelte sie an. »W... was?«
Sie lächelte spöttisch. »Mir tut die Hand weh, du verdammtes Arschloch! Aber der Spaß ist es wert. Ich kann es gar nicht abwarten zu sehen, was Missy mit dir anstellen wird.«
»Du ... kennst sie?«
»Offenkundig. Und jetzt habe ich eine Frage an dich: Wo ist Zoe?«
Missy hatte die ganze Zeit etwas abseits gestanden und die Szene mit einem Ausdruck leisen Amüsements beobachtet. Nun runzelte sie die Stirn. »Wer ist Zoe?«
Emily ließ Chucks Haar los und wandte sich ihr zu. »Sie ist Chucks Freundin. Erinnerst du dich an die heiße Blondine, die im Starbuck’s bei uns war?«
»Ja.«
»Das ist Zoe.«
Missys Stirnrunzeln verstärkte sich. »Wir müssen sie finden.«
Das kahlköpfige Mädchen rückte näher an Missy. »Wir haben überall nachgesehen. In den Zimmern ist niemand.«
Emily blickte zu Chuck und lächelte. »Sie muss unten am Strand sein. Ich werde sie holen.«
Chuck bäumte sich in seinen Fesseln auf. »Du Schlampe! Du heimtückische Fotze!«
Die Kleine mit der Glatze reichte Emily ein riesiges Jagdmesser, das mit etwas verkrustet war, das eigentlich nur getrocknetes Blut sein konnte. »Hier, nimm das!«
Lächelnd lehnte Emily ab. »Das werde ich nicht brauchen.« Erneut bedachte sie Chuck mit einem anzüglichen Lächeln. »Zoe hat sich ein bisschen über mich geärgert, aber tief im Innern, da liebt sie mich. Wirklich. Und wenn ich will, kann ich sie zu allem überreden. Wenn wir zurückkommen, dann Händchen haltend, und sie wird nicht die geringste Ahnung haben, dass etwas nicht stimmt.«
Missy nickte. »Na gut. Dann geh’! Aber mach’ schnell. Ich bin schon ganz heiß darauf, endlich anzufangen.«
Emily zwinkerte Chuck zu und rauschte ohne ein weiteres Wort von dannen. Chucks Blick folgte ihr quer durchs Zimmer und durch die zersplitterte Tür. In seinem Innern brodelte ein Hass, den er bis dahin nicht gekannt hatte. Er wollte eine Warnung hinausschreien, aber über den Wind und das Rauschen des Meeres konnte Zoe ja ohnehin nichts hören. Außerdem wollte er seine Lunge nicht überstrapazieren, um keine Kraft zu vergeuden. Er würde noch jedes bisschen davon brauchen, für die Zerreißprobe, die vor ihm lag.
Er konnte nicht begreifen, warum Emily das machte. Sie war ein fieses Miststück, zugegeben, aber fiese Miststücke gab es viele auf der Welt, ebenso wie fiese, kaltherzige Drecksäcke. Aber es war ein großer Unterschied, ob jemand nur fies war oder hundsgemein.
Dies hier war Verrat in einem Ausmaß, das sein Begriffsvermögen überstieg.
Es war unmenschlich.
Es war ... böse. Ja, böse. Es war merkwürdig, so etwas zu denken, aber wahr. Im Herzen dieser jungen Frau wohnte ein Teufel. Sie hatte ihre Seele den Mächten der Finsternis verschrieben.
Er dachte daran, was sie über Zoe gesagt hatte, und hätte am liebsten geheult.
Weil nämlich alles stimmte.
Als Zoe tropfnass aus dem Meer auftauchte, kam eine dunkle Gestalt zielstrebig den Strand entlang auf sie zu. Sie wischte sich das Salzwasser aus den Augen und strich ihr Haar
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