Todesgeil
sich in seinen Augapfel. Er heulte vor Schmerz auf und ließ sie los. Julie taumelte zurück, versuchte wieder zu Atem zu kommen, während sie zusah, wie der Kerl sich die Hand aufs Auge presste und mit dem anderen Arm hilflos um sich schlug. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Er hörte lange genug auf herumzufuchteln, um sie mit seinem gesunden Auge anzublicken und sie anzubrüllen: »Dafür bringe ich dich um, du Hure!«
Er machte erneut Anstalten, auf sie loszugehen, schrie jedoch auf, als sich eine Glasscherbe in seine Fußsohle bohrte. Rasch blickte Julie sich um, während der Verrückte auf einem Bein herumhüpfte und wimmerte wie ein Kleinkind. Das Wohnzimmer war standardmäßig eingerichtet. Riesiger Fernseher, große Couch und ein paar Sessel. Und eine Riesenbar mit einem Regal darüber, auf dem alle möglichen Utensilien, die man in einer Bar brauchen konnte, aufgereiht waren.
Ja!
Julie schnappte sich einen Korkenzieher, legte die Hebelgriffe um, damit das Gewinde mit der Spitze ganz nach außen trat, und ging damit auf ihren Angreifer los. Der Kerl saß auf der Kante eines Sessels und war damit beschäftigt, die Glassplitter aus seinem blutenden Fuß zu ziehen. Er blickte hoch und sah sie kommen, allerdings nicht mehr rechtzeitig, um auszuweichen oder die Attacke abzuwehren. Sein noch verbliebenes Auge weitete sich. Für Julie war es eine Genugtuung, die Angst darin zu sehen. Sie rammte ihm den Korkenzieher in die Schläfe und sein Körper begann zu zucken. Julie riss den Korkenzieher wieder heraus und stieß ihn ihm ins andere Auge. Nun sahen sie wieder irgendwie gleich aus – beide waren sie durchbohrt und bluteten. Diese Vorstellung ließ sie völlig unangebracht kichern, während zugleich eine neue Woge der Übelkeit in ihr aufstieg. Sie zerrte den Korkenzieher aus seinem Auge. Starrte auf seinen Hals, auf das schwache Pulsieren unter der Haut.
Da, dachte sie. Da sitzt die Halsschlagader .
Sie rammte ihm den Korkenzieher in den Hals und Blut schoss hervor. Mittlerweile war Julie über und über mit Blut besudelt. Ihrem eigenen und dem des Mannes, der versucht hatte, sie zu vergewaltigen. Sie kicherte erneut. Ganz tief drin sind wir doch alle aus demselben Holz geschnitzt.
Julie stieß noch einige weitere Male mit dem Korkenzieher zu, selbst als ihr klar war, dass er bereits tot sein musste. Sie empfand eine seltsame Faszination bei dem Anblick, wie das Werkzeug ins Fleisch eindrang. Ungefähr so, wie wenn sie die Blütenblätter von einer Blume abriss und sie damit jedes Mal Stück für Stück mehr zerstörte. Und das wirklich Merkwürdige daran war, wie wenig ihr das Ganze ausmachte, nun, da der Kerl keine Gefahr mehr darstellte. Irgendwie war es sogar lustig, so wie sie es sich immer vorgestellt hatte. Doch irgendwann hatte sie genug davon, dauernd auf den Leichnam einzustechen, und stieg von ihm herunter.
Schwer atmend stand sie mitten im Wohnzimmer und überlegte, was sie nun tun sollte. Die Notrufnummer wählen. 911. Was sonst? Doch irgendetwas ließ sie zögern. Der Mann, den sie getötet hatte, war eindeutig ein ungebetener Gast. Der Gedanke daran ließ sie laut auflachen. Kein Scheiß, oder? So einen hatten John und Karen niemals zum Abendessen oder dergleichen eingeladen. Nein, er war ein Einbrecher. Wahrscheinlich hatte er die ganze Familie umgebracht. Und irgendwo im Haus lagen ihre Leichen herum. Es war dieser Gedanke, der sie davon abhielt, nach dem Handy in ihrer Tasche zu greifen.
Sie wollte es sehen .
Ja, es war echt scheiße, dass John höchstwahrscheinlich tot war. Nun würde sie niemals Gelegenheit haben, ihn zu küssen. Oder mit ihm zu ficken. Jetzt konnte sie es sich ja eingestehen. Das wäre letztlich ihr Ziel gewesen. Doch nun war sie nicht minder versessen darauf, seine Leiche zu sehen. Auf ihrem Laptop hatte sie eine Riesensammlung von Tatort- und Autopsiefotos gespeichert. Und nun hatte das Schicksal sie in eine Lage gebracht, in der sie Gelegenheit hatte, sich alles ganz ausführlich in echt anzuschauen. Eine solche Chance durfte sie sich nicht entgehen lassen. Und, zum Teufel, die Cops würden es doch gar nicht merken, dass sie sich den Tatort so richtig reingezogen hatte.
Sie schlich sich aus dem Wohnzimmer in einen langen Flur, der, wie sie wusste, zum Schlafzimmer führte. Wahrscheinlich gab es überhaupt keinen Grund, so heimlich zu tun, doch noch immer konnte sie nicht absolut sicher sein, dass jeder im Haus auch wirklich tot war, darum bewegte sie
Weitere Kostenlose Bücher