Todesgeil
sich mit äußerster Vorsicht vorwärts. Als sie den Flur zur Hälfte durchquert hatte, vernahm sie ein Geräusch, in dem sie auf Anhieb das Quietschen von Bettfedern erkannte, ein rhythmisches Auf und Ab, das man gemeinhin nur mit Geschlechtsverkehr in Verbindung brachte. Es kam aus dem Elternschlafzimmer am Ende des Flurs. Sie schlich sich näher und hörte ein gedämpftes Grunzen. Die Schlafzimmertür stand ein Stück weit offen. Sie konnte eine Ecke des Bettes sehen. Den Rücken an die Wand zu ihrer Rechten gepresst, schob sie sich vorsichtig vorwärts bis zum Ende des Flurs. Nachdem sie das Schlafzimmer erreicht hatte, spähte sie um den Türpfosten und schreckte entsetzt vor dem grässlichen Anblick zurück, der sich ihr bot.
Johns Kopf lag auf dem Boden. Sein kopfloser Körper saß zusammengesunken auf einem Stuhl vor der gegenüberliegenden Wand. Seine Beine waren gespreizt und wo sich seine Genitalien befunden hatten, konnte sie ein klaffendes, blutiges Loch sehen. Nancy lag auf dem Boden. Man hatte ihr den Bauch aufgeschlitzt. Ihr Unterleib war eine blutige, zerfetzte Masse. Jemand hatte ihr ihre Eingeweide um den schmalen Hals geschlungen. Auf dem beigen Teppich befanden sich große, dunkle Flecke, bei denen es sich nur um Blut handeln konnte.
Karen lag auf dem Bett, die Beine weit gespreizt, während der Kerl, der auf ihr hockte, sie rammelte und ächzende Laute von sich gab. Karen hatte lange, schlanke Beine. Erstaunt stellte Julie fest, dass sie eine hübsche Tätowierung, einen Schmetterling, am rechten Fuß hatte. Allerdings wirkten die Muskeln dieser wohlgeformten Beine sonderbar schlaff für jemanden, der gerade Sex hatte. Dann wurde Julie allmählich klar, was auf dem Bett vor sich ging, und sie zog das Handy aus ihrer Tasche. Sie klappte es auf und starrte auf die dunkle Anzeige.
Scheiße .
Sie hatte ganz vergessen, dass sie es ausgeschaltet hatte, nachdem sie auf Alicias SMS geantwortet hatte. Wenn sie es jetzt einschaltete, würde der dämliche Klingelton diesen kräftig gebauten Nekrophilen sofort auf sie aufmerksam machen. Und dann würde er sie umbringen, was sonst? Sie gab sich keinerlei Illusionen hin, mit diesem Kerl so leicht fertigzuwerden wie mit dem anderen. Er würde ihr einfach ihren Korkenzieher abnehmen und ihn ihr in den Arsch schieben. Oder in irgendeine andere Körperöffnung. Bei dem Gedanken daran krampfte sich ihr Magen zusammen. Das Klügste, was sie tun konnte, wäre, so schnell wie möglich wegzulaufen und zu machen, dass sie hier rauskam. Doch sie wünschte sich nichts sehnlicher als ein Foto von der entsetzlichen Gräueltat, die da auf dem Bett vor sich ging. Es würde die Krönung ihrer morbiden Sammlung darstellen. Vielleicht schaffte sie es ja runter in die Küche, um dort das Telefon einzuschalten, und dann wieder zurück. Doch nein, so wie der Kerl immer lauter stöhnte, wäre bis dahin alles vorbei.
Das ist das Dümmste, was ich jemals getan habe, dachte sie, oder was ich jemals tun werde, daran besteht nicht der beschissenste Zweifel.
Sie drückte die Einschalttaste, legte beide Hände fest um das Handy und presste es an die Brust – in der Hoffnung, den Begrüßungston damit so weit zu dämpfen, dass der Mann ihn nicht hörte. Aber natürlich erklang der Ton glockenhell.
Mitten im Stoß hielt der Kerl inne und warf einen Blick über die Schulter, direkt auf Julie, die völlig schutzlos in der offenen Tür stand. Sein Haar war lang und weiß und so dünn wie das Haar eines Einsiedlers aus einem Märchen. Nur dass dieser Einsiedler den Körperbau eines Holzfällers hatte, der Anabolika schluckte. Seine Nasenlöcher weiteten sich, seine Lippen verzogen sich zu einem Knurren. Sein mitleidloser Blick verhieß Schmerzen und jede Menge Brutalität. Er stieg von der Leiche herunter und Julie sah Karens Kopf mit schlaffem Mund und leblosen, ins Leere starrenden Augen auf dem Kissen liegen.
Der Kerl grinste.
Dann ging er auf sie los.
Julie schrie auf und rannte weg, die Diele entlang. Sie stürzte durchs Wohnzimmer und schaffte es bis in den Windfang, ehe der Riesenkerl sie einholte. Er packte ihr Haar und brachte sie mit einem Ruck zum Stehen, was sie erneut aufschreien ließ. Dann stieß er sie zu Boden und ließ sich auf sie fallen, drückte ihr einen kräftigen Unterarm gegen die Kehle und grapschte mit seiner freien Hand nach den Überresten ihres zerrissenen Tops. Sie konnte sich nicht bewegen. Konnte die Hände nicht freibekommen, um ihm die Augen
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