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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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erzählt. Das war einer der anderen. Du warst nicht bei der Party. Jedenfalls nicht offiziell. Du wolltest nicht verhört werden, so wie die anderen Gäste.«
    Er zuckt wieder mit den Schultern.
    Ich halte vor Snældas und meinem Haus an, schalte den Motor aus und wende mich ihm direkt zu. »Sie sind hinter dir her, weil sie Skarphéðinns Handy haben wollen.«
    Das war keine Frage. Dennoch antwortet er leise:
    »Ja.«
    »Warum hast du ihnen das Handy nicht einfach gegeben?«
    Nach einer kurzen Pause antwortet er: »Es gehört ihnen nicht. Das ist mein Handy.«
    »War es schon immer deins? Oder meinst du, es gehört dir jetzt? Nach Skarphéðinns Tod?«
    »Sowohl als auch.«
    »Wie kann das sein?«
    Er schaut sich um. »Wo sind wir?«
    »Ich wohne hier. Mit meiner Frau.«
    Er wirkt irritiert.
    »Du brauchst keine Angst zu haben. Hierher kommen sie nicht«, sage ich. »Nicht in der nächsten Zeit.«
     
    Als ich Rúnar Valgarðsson endlich dazu bringe, sich im mittleren Zimmer schlafen zu legen, ist es schon wieder helllichter Tag. Ich habe uns eine Pizza bestellt und versucht, mit ihm zu reden. Wollte, dass er mir mehr erzählt. Aber er ist sofort aufgesprungen und durchs Zimmer getobt wie ein Löwe im Käfig. Ich habe versucht, ihn zu überreden, seine Mutter anzurufen und ihr zu sagen, dass alles in Ordnung sei. Aber er meinte, er wolle sie nicht stören. Sie hätte ihren Schlaf bitter nötig. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sie, nach allem, was passiert ist, schläft. Ich kann auch nicht einschlafen, wenn mit Gunnsa etwas nicht stimmt. Aber was weiß ich schon über andere Leute?
    Es geht auf neun Uhr zu. Ich bin genauso erschöpft und angespannt wie mein Gast. Trotzdem harre ich noch eine Dreiviertelstunde aus, um sicherzugehen, dass er tief schläft. Dann schleiche ich zu seiner Zimmertür und lausche. Sein entspanntes, regelmäßiges Atmen gibt mir zu erkennen, dass ich die Tür öffnen kann. Er liegt in Embryostellung unter der Bettdecke und schläft den tiefen Schlaf der, tja, sollten wir nicht sagen, der Gerechten?
    Sein nackter linker Arm ruht auf der Bettdecke. Er ist mit Narben und Schnitten übersät, von denen einige noch recht frisch aussehen. Ich habe gelesen, dass sich Jugendliche auf diese Weise zunehmend selbst verletzen. Die Gefühle, die dahinterstehen, kann ich allerdings nicht nachempfinden.
    Die Jeans liegt über einem Stuhl, und die Lederjacke hängt an der Lehne. Ich taste mit beiden Händen in den Taschen herum. In jeder Tasche befindet sich ein Handy. Ich schleiche hinaus und schließe vorsichtig die Tür hinter mir.
    Im Wohnzimmer setze ich mich aufs Sofa und drehe die kleinen technischen Wunder in der Hand hin und her. Das eine steckt in einer gemusterten, rotbraunen Lederhülle, die ich in Skarphéðinn Valgarðssons Hand in Hólar gesehen habe. Das andere steckt in einer schwarzen Hülle. Ich lege das zweite Handy auf den Wohnzimmertisch und öffne im ersten das Adressbuch. Dort stehen verschiedene Namen, darunter: Mama, Solla, Skarpi, Einar Reporter.
    Merkwürdig, denke ich. Warum sollte Skarphéðinn seine eigene Handynummer in seinem Adressbuch speichern, wo sie doch ein so großes Geheimnis war? Und meine Handynummer habe ich ihm auch nicht gegeben.
    Ich nehme das Telefon in dem schwarzen Etui zur Hand. Dann wird mir klar, dass Rúnar klüger war, als ich dachte. Er hat die Handys vertauscht.
    Wenn ihm jemand das rotbraune Handy entwenden würde, säße er mit der falschen Beute da.
    Ich lege das rotbraune Handy beiseite und konzentriere mich auf das schwarze. Darin sind keine Adressen gespeichert. Die Fächer für eingehende und abgehende Anrufe sind leer. Ich checke die SMS -Nachrichten. Dasselbe. Alles leer.
    Worum geht es hier denn bloß? Warum war dieses Handy ein so großes Geheimnis? Warum ist es so begehrt, dass eine ganze Armee durchgedrehter Halbaffen unter Androhung von Gewalt danach sucht?
    Meine Gedanken schwirren durcheinander und finden keinen Anhaltspunkt. Die Müdigkeit baut sich wie eine Wand zwischen mir und meiner Aufgabe auf.
    Ich erhebe mich, gehe in die Küche und koche mir einen Kaffee. Dann nehme ich eine Zigarette und setze mich wieder aufs Sofa. Ich kenne mich mit Handys nicht besonders gut aus. Das ist jetzt hinderlich. Verdammte Rückständigkeit, Antiquiertheit und Engstirnigkeit.
    Jetzt denk nach, befehle ich mir selbst. Denk nach.
    Aber mein Kopf gehorcht nicht.
    Ich fingere an den Tasten herum. Okay. Hier steht: Mitteilungen. Leer.

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