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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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Papagei zu sein.
    Oder ein unschuldiges Kind, das im Arm seiner Mutter schlummert.
    Zu spät. Zu spät.
    Stattdessen wäre es sicher hilfreich, eine Knarre in der Tasche zu haben.
     
    Montagnacht um eins sind die Straßen Akureyris nahezu menschenleer. Als ich in die Hólabraut biege, schießt eine schwarze Katze vor dem Auto über die Straße. Ich mache eine Vollbremsung und halte am Straßenrand, ein paar Häuser von Skarphéðinns, einstmals Gunnar Njálssons, heute Rúnars Zuhause entfernt. Ich verdränge den alten Aberglauben, dass schwarze Katzen Unglück bringen, und beobachte das Haus. Das Erdgeschoss und die erste Etage liegen im Dunkeln, aber durch die Fenster der zweiten Etage dringt ein schwacher Lichtschein. Weder der schwarze Honda noch irgendwelche verdächtigen Personen sind zu sehen.
    Ich steige aus dem Wagen und gehe zum Haus. Klingele in der zweiten Etage. Keine Reaktion. Klingele nochmals und nochmals. Keine Reaktion. Ich klingele Sturm. Dito. Ich überlege, ob ich in den unteren Etagen klingeln soll, lasse es aber bleiben.
    Tja, was nun?
    Ich gehe zurück zum Auto, nehme mein Handy, rufe bei meinen Assistenten von der Auskunft an und erhalte die Telefonnummer und Adresse von Rúnar Valgarðsson. Seine Eltern wohnen im Hlíðarviertel, so wie ich. Ich öffne das Handschuhfach, falte die Straßenkarte auseinander und suche die Straße.
    Jóna Rúnarsdóttir und Valgarður Skarphéðinsson wohnen in der dritten Etage eines neueren Wohnblocks. Beherzt drücke ich auf die Klingel.
    Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten.
    »Rúnar?«, fragt eine zerbrechliche Frauenstimme.
    »Nein, ich heiße Einar, Reporter vom
Abendblatt
. Entschuldige die Störung. Ich habe eben mit Rúnar gesprochen und hatte den Eindruck, dass er in Schwierigkeiten ist. Jetzt kann ich ihn nirgendwo finden.«
    Die Frau schnappt nach Luft. »Was sagst du da? Ist er denn nicht in Skarphéðinns Wohnung?«
    »Da war er. Aber jetzt geht er nicht mehr ans Telefon und macht nicht auf.«
    Stille.
    »Darf ich vielleicht kurz reinkommen?«
    »Ja, bitte.«
    Der Türöffner surrt. Ich gehe hinauf. Rechts und links vom Aufzug befindet sich jeweils eine Wohnung; eine der Türen steht offen.
    Ich klopfe leicht gegen den Türrahmen.
    Sie kommt mir in einem grauen Frotteebademantel über einem rosa Nachthemd entgegen. Ihr rundliches Gesicht, das bei der Beerdigung ihres älteren Sohnes dick geschminkt war, ist jetzt kreidebleich und von kleinen Fältchen übersät. Unter ihren braunen Augen liegen schwarze Ringe. Ihr grau durchwirktes Haar wird von einer Dauerwelle in Form gehalten.
    »Hoffentlich habe ich dich nicht geweckt«, sage ich.
    »Ich bin eben erst nach Hause gekommen«, seufzt die Frau und schüttelt den Kopf. »Mache Nachtwachen im Krankenhaus.«
    Sie geht vor mir her in die Küche, die rechts von der Wohnungstür liegt. Davor befindet sich ein Esszimmer mit einem Tisch und schwarzgestrichenen Sprossenstühlen, das in ein Wohnzimmer mit klobigen, karminroten, ausgebesserten Möbeln übergeht. Es ist überladen mit Porzellankram und allerlei Nippes. Links von der Wohnungstür sieht man einen Flur mit drei geschlossenen Türen; unmittelbar daneben steht die Tür zum grüngefliesten Badezimmer offen. Die gesamte Wohnung ist in Grautönen gestrichen.
    Jóna stellt einen Wasserkessel auf den Herd. »Möchtest du einen Tee?«
    Trotz des unerwarteten nächtlichen Besuchs wirkt sie seltsam gelassen. Aber die Reaktionen der Menschen auf Unvorhersehbares sind immer unvorhersehbar.
    Ich setze mich auf einen hölzernen Hocker an dem kleinen Küchentisch mit der Plastiktischdecke. »Wenn du dir auch einen machst.«
    Sie nimmt zwei Tassen vom Abtropfgestell.
    »Hast du Rúnar heute Abend erwartet? Weil du dachtest, er hätte geklingelt?«
    »Ich hab es nicht gewusst«, antwortet sie. »Nur gehofft.«
    »Hast du in den letzten Stunden von ihm gehört?«
    »Man weiß wenig darüber, was die Kinder so machen, wenn sie in dieses Alter kommen«, sagt sie, als hätte sie meine Frage gar nicht registriert. »Man muss ja schon dankbar sein, wenn sie überhaupt noch mit einem reden.«
    Ich muss an Gunnsa denken und Gott wieder einmal meinen Dank aussprechen.
    »Ja, da hast du wohl recht. Skarphéðinn war natürlich schon seit längerer Zeit von zu Hause ausgezogen. Erst ins Internat und dann in die Wohnung seines Freundes Gunnar. Es ist dir und deinem Mann doch bestimmt nicht leichtgefallen, als er aus dem Nest flog?«
    »Man muss so vieles

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