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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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eine Schlange von Taxis vor den Toren des Bahnhofs. Doch es war nicht eines zu entdecken.
    Während er sich noch fragte, wie er zu seinem Hotel gelangen sollte, bemerkte er ein kleines Stück weiter ein parkendes schwarzes Automobil. An der Tür des Wagens lehnte eine hochgewachsene blonde Frau, die mit einer langen Zigarettenspitze rauchte. Sie war um die dreißig und trug geschäftsmäßige Kleidung, zu der auch ein eng anliegender
Rock gehörte. Außerdem sah sie blendend aus. Als sie den Detective erspähte, näherte sie sich mit einem Gang, der die Blicke aller Männer in der Nähe anzog.
    »James Littlemore, wie ich annehme? Aus New York?«
    »Ja, das bin ich.«
    »Sie sehen genauso aus, wie Sie mir beschrieben wurden«, erwiderte die Blondine.
    »Wie bin ich Ihnen beschrieben worden?«
    »Feucht hinter den Ohren. Sie sind spät dran. Ich warte schon fast eine Stunde.«
    »Und wer sind Sie?«
    »Ich arbeite für Senator Fall. Der Senator möchte Sie morgen in seinem Büro treffen. Punkt vier.«
    »Tatsächlich?«
    »Tatsächlich. Viel Glück, New York.« Während sie miteinander redeten, war ihr Wagen herangerollt. Der Chauffeur sprang heraus und öffnete ihr die Tür. Sie stieg ein, und ihre Beine blitzten kurz auf.
    »Sagen Sie, Ma’am.« Littlemore sprach durch das offene Fenster. »Meinen Sie, Sie könnten mich zu meinem Hotel fahren?«
    »Wo wohnen Sie?«
    »Im Willard.«
    »Nett.«
    »Die Kosten übernimmt Minister Houston.«
    » Sehr nett.« Sie gab dem Chauffeur ein Zeichen.
    »Also, bringen Sie mich hin, Ma’am?«
    »Tut mir leid, dafür bin ich nicht zuständig.«
    Im Wegfahren wirbelte der Wagen rostfarbenen Staub auf, der sich auf Littlemores Anzug legte. Er schüttelte den Kopf und erkundigte sich bei zwei vorüberkommenden
Herren nach dem Willard Hotel. Einer von ihnen deutete nach Westen. Einen langen Schatten hinter sich herziehend steuerte Littlemore auf die sinkende Sonne zu.
    Am nächsten Morgen steckte ihm Minister Houston persönlich die Dienstmarke an und nahm ihm den Eid ab, der Littlemore zum Special Agent der US Treasury machte. Sie befanden sich in dem luxuriösesten Büro, das Littlemore je erblickt hatte. Es war Houstons persönliches Büro im Finanzministerium. Über Kaminen aus poliertem Marmor prangten goldgerahmte Spiegel. Samtvorhänge schmückten die Fenster, und die Decke war mit himmlischen Motiven bemalt.
    »Wo wir jetzt stehen, hat schon Lincoln gestanden«, erklärte Houston, »und sich mit seinem Finanzminister beraten, Salmon P. Chase.«
    Auf die Aufforderung, die Gesetze der Vereinigten Staaten zu achten, fragte Littlemore, ob er im Fall der Prohibition eine Ausnahme machen konnte, was Minister Houston gar nicht komisch fand. Als er den Eid auf die Verfassung leistete, brach Littlemore die Stimme. Er hätte gern seinen Vater dabeigehabt.
    »Und nun möchte ich Ihnen alles zeigen, Special Agent Littlemore«, verkündete Houston.
     
    D as Finanzministerium war in überraschend viele Abteilungen untergliedert. Voller Stolz präsentierte Houston die riesige Einkommensteuerverwaltung, die Behörden zur Bekämpfung von Geldfälschung, zur Herstellung von Banknoten und Münzen und zur Durchsetzung der Alkoholbestimmungen sowie zuletzt einen weiträumigen Marmorsaal mit einer Reihe von Kassierern an einer Wand, die jeweils hinter einem Gitterfenster saßen. »Hier zahlt das Schatzamt
jedem Menschen Geld aus, der eine gültige Banknote vorlegt. Wir nennen es den Cash Room. Zeigen Sie mir alles Geld, das Sie in den Taschen haben, Littlemore.«
    »Mal sehen. Ich hab eine Dreicentmünze, zwei Dimes und einen Fin.«
    »Nur die Münzen sind Geld. Der Fünfdollarschein nicht.«
    »Ist er gefälscht?«
    »Nein, aber auch kein Geld. Nur eine Banknote. Ein Versprechen. Dieses Versprechen finden Sie im Kleingedruckten auf der Rückseite, zwischen Kolumbus und den Pilgervätern. Lesen Sie — dort, wo ›einlösbar‹ steht.«
    »Diese Banknote ist auf Vorlage einlösbar beim Finanzministerium der Vereinigten Staaten in Washington, District of Columbia, oder in Gold oder gesetzmäßigem Geld bei jeder Federal Reserve Bank.«
    »Ohne diese Worte«, erläuterte Houston, »wäre dieser Geldschein wertloses Papier. Kein Ladenbesitzer würde ihn annehmen. Keine Bank würde ihn gutschreiben. Ein Fünfdollarschein ist das Versprechen der Vereinigten Staaten, jedem, der diesen Geldschein hier im Schatzamt von Washington vorlegt, fünf Dollar in Gold auszubezahlen. Daher der Name Cash

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