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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Room.«
    »Sind aber nicht viele Leute, die sich was ausbezahlen lassen.« Littlemore sah nur zwei Kunden an Schaltern.
    »Genau so soll es auch sein.« Houston setzte sich wieder in Bewegung und führte Littlemore in einen langen Korridor. »Niemand hat einen Grund, sich den Betrag auszahlen zu lassen, solange alle daran glauben, dass die Möglichkeit dazu besteht. Aber stellen Sie sich vor, die Leute würden befürchten, dass wir nicht genug Gold haben, um alle Banknoten einzulösen. Haben wir genug — was meinen Sie?«

    »Etwa nicht?«
    »Wenn alle Schuldverschreibungen des Landes gleichzeitig zur Auszahlung vorgelegt würden, wäre die Regierung so hilflos und ruiniert wie jede andere Bank in einer Panik. Das System beruht auf Vertrauen. Angenommen, eine kleine Schar besorgter Leute will hier ihre Banknoten einlösen. Angenommen, die Schar wird zu einer Menge. Angenommen, die Menge wird zu einer ganzen Nation, die hier anstürmt, um ihr Geld abzuholen, bevor die Metallbestände des Landes erschöpft sind. Der Staat müsste seinen Bankrott erklären. Die Kreditvergabe würde zum Erliegen kommen. Fabriken würden dichtmachen. Die ganze Wirtschaft würde zusammenbrechen. Und was dann passieren würde, kann niemand voraussagen. Vielleicht würden sich die Bundesstaaten abspalten und wieder zu ihrer Autonomie zurückkehren.«
    »Jetzt verstehe ich, warum Sie den Raub nicht an die große Glocke hängen, Mr. Houston.«
    »Genau darauf wollte ich hinaus. Und da sind wir auch schon – das wird Ihr Büro sein, Littlemore. Klein, aber Sie haben Ihr eigenes Telefon und natürlich Zugang zu den Akten. Hier ist der Schlüssel zu Ihrem Schreibtisch. Dort finden Sie Dokumente über die Verlegung des Goldes aus dem Schatzamt in Manhattan in die Münzanstalt nebenan — Einzelheiten zum Bau der Überführung, zu den Beteiligten und zu den Plänen. Diese Papiere sind nur für Ihre Augen bestimmt, verstanden?«
    »Ja, Sir.«
    Houston senkte die Stimme. »Und ich will einen vollständigen Bericht über Ihr Treffen heute Nachmittag mit Senator Fall. Denken Sie immer daran, dass Sie mir unterstellt sind und nicht ihm.«

    Auf dem Weg zum Senatsbürogebäude gönnte sich Littlemore einen Blick auf das Washington-Denkmal. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass die Stadt neben diesem erhabenen, feierlichen Obelisken ihre öffentliche Badeanstalt errichtet hatte. Von dort schritt Littlemore weiter auf der Mall – einer geraden, grasbewachsenen, breiten Promenade, an der sich vereinzelt majestätische Gebäude erhoben – in Richtung Kapitol. Er stellte sich adelige Herrschaften vor, die mit trippelnden Hündchen in gemächlichem Tempo dahinflanierten. In Wirklichkeit war die Mall vollkommen leer.
    An der Ecke First und B Street – der offiziellen Adresse des Senatsbürogebäudes — ragte lediglich ein unscheinbares Hotel am unkrautbewachsenen Rand des Kapitolgeländes auf. Der Detective ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er wusste, dass es in der merkwürdigen Kartografie Washingtons vier Punkte gab, an der sich First Street und B Street kreuzten – jeder an einer anderen Seite des Kapitols. Littlemore wandte sich nach Süden und gelangte bald zu einer weiteren Ecke von First und B. Hier stieß er auf eine Reihe aneinandergebauter, verwahrloster Holzhäuser, vor denen sich eine Schotterstraße erstreckte. Diese war übersät mit Abfall, um den Fliegen kreisten, und ein deutlicher Hauch von ungeklärtem Abwasser stach ihm in die Nase. Vor den Häusern saßen Schwarze. Mit Ausnahme Littlemores war kein einziger Weißer zu sehen. Überall schwärmten Mücken herum. Knapp vor dem Gesicht schlug der Detective eins der lästigen Insekten tot. Als er die Hände voneinander löste, umrahmten sie die große Kuppel des Kapitols.
    Zum Glück hatte Littlemore das Finanzministerium schon um drei Uhr verlassen. Um zwei vor vier, gerade noch pünktlich,
betrat er schließlich die Rotunde des Senatsbürogebäudes, das zwei Stockwerke hatte und von korinthischen Säulen umringt war. An allen Wänden erstrahlten weißer Marmor und Kalkstein im natürlichen Licht, das durch das runde Fenster an der Spitze der reich getäfelten Kuppel einfiel.
     
    A lbert B. Fall, der US-Senator von New Mexico, war ein rüstiger Mann von sechzig, groß und trinkfest, mit einem herabhängenden, vom Alter weißen Schnurrbart. Im Freien trug er gern einen breitkrempigen Cowboyhut, der nicht zu seinem dreiteiligen Anzug mit Fliege passen wollte. Er verfügte

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