Todesinstinkt
Wagen.«
»Aber Agent Littlemore«, erwiderte Mrs. Cross. »Diesen düsteren Ton kenne ich gar nicht von Ihnen. Ich dachte immer, Sie sehen die Dinge von der angenehmen Seite.«
»Die haben hundert Aufzüge hier. Wohin?«
»Folgen Sie mir.«
Im siebten Stock öffnete Senator Fall persönlich die Tür zu seiner Suite. Er trug einen dunkelroten Smoking. Mrs. Cross spazierte einfach hinein und machte es sich gemütlich. Littlemore verharrte im Türrahmen. »Haben Sie was gefunden?«, fragte Fall.
Littlemore nickte.
»Haben Sie es Houston gezeigt?«
»Das kann ich nicht.«
A ls Littlemore die Dokumente auf Senator Falls Esstisch ausbreitete, stellte ihnen Mrs. Cross zwei Gläser Whiskey mit Eis hin. Dann schenkte sie sich selbst einen ein. »Was sind das für Fotografien?«
»Sieht nach einem militärischen Ausbildungslager in Mexiko aus«, antwortete Littlemore. »Das da ist ein Schießplatz. Das hier sind Maschinengewehre. Und hier erkennt man Leute, die mit Zündern und Sprengkapseln arbeiten.«
»Was ist das für eine Liste mit Namen?«, fragte Fall.
»Vermutlich Leute, die in dem Lager waren. Genau, da stehen die Daten, von wann bis wann sie dort waren und an welchen Waffen sie ausgebildet wurden. Die kommen aus der ganzen Welt. Italiener sind dabei, Russen, alles.«
»Ein gottverdammtes Terroristenlager«, schimpfte Fall. »Und direkt vor unserer Nase.«
»Haben Sie die beiden Namen hier bemerkt, Sir?«
»Sacco und Vanzetti«, las Fall.
»Anscheinend war Flynn doch nicht ganz auf dem Holzweg. « Littlemore legte ein dickeres Blatt Papier auf die anderen. Auf diesem sah man eine präzise Tuschzeichnung mit Pfeilen und spanischer Beschriftung.
»Mein Gott«, entfuhr es Fall.
»Was ist das?« Mrs. Cross nippte an ihrem Whiskey.
»Ein Schaubild von einer Splitterbombe auf einem Pferdewagen. «
Niemand sprach ein Wort.
»Und das ist noch nicht mal der Clou, Senator Fall. Schauen Sie sich das hier an.«
Littlemore deutete auf ein Dokument, das den Briefkopf des Finanzministers von Mexiko und am unteren Rand die Unterschrift dieses Herrn trug. Zwischen diesen beiden offiziellen Daten fanden sich mehrere Absätze in blumigem Spanisch.
Senator Fall studierte sie. »Wissen Sie, was in dem Brief steht, mein Junge?«
»Ja, Sir. Es ist die Vollmacht zur Überweisung von 1.115.000 Dollar auf die Konten von drei US-Senatoren und einem US-Kabinettsmitglied.«
»Sind Sie einer von den drei Glücklichen, Senator?«, fragte Mrs. Cross mit Unschuldsmiene.
Fall gab ihr einen Klaps auf den Hintern. »Nein. Es sind Borah, Cotton Tom Heflin und Norris — die drei größten Freunde dieser mexikanischen Halunken im Kongress.«
»Senator Borah — ist das der, der eine Affäre mit Alice Roosevelt hat?«
»Könnt ihr Frauen an nichts anderes denken?«, blaffte Fall.
»Das könnte doch erklären, warum Mr. Borah so viel Geld braucht«, konterte Mrs. Cross. »Und welches Kabinettsmitglied wurde reich?«
»Mr. Houston vom Schatzamt«, antwortete Littlemore.
G egen Mitternacht trafen einige wichtige Männer in Senator Falls Suite im Wardman Park Hotel ein. Sie zogen sich in ein Arbeitszimmer zurück und vertieften sich in Debatten, von denen Littlemore ausgeschlossen blieb. Allerdings wurde er mehrmals hineingebeten, um zu schildern, unter welchen Umständen er die Dokumente entdeckt hatte. Die Konferenz zog sich stundenlang hin. Nach den lauten, scharfen Stimmen zu urteilen, wurde heftig und gelegentlich sogar erbittert gestritten. Einmal hörte Littlemore, wie Senator Fall darauf hinwies, dass Präsident Taft für Wilson 1912 »genau dasselbe« getan hatte.
Mrs. Cross nannte Littlemore einige der Anwesenden: Mr. Colby, der Außenminister; Mr. Baker, der Kriegsminister; Mr. Daniels, der Marineminister; Mr. McAdoo, den Littlemore
schon bei dem Treffen mit Commissioner Enright und dem Bürgermeister von New York kennengelernt hatte; und Mr. Daugherty, der aller Voraussicht nach Hardings Justizminister werden sollte. »Senator Harding wäre natürlich auch gekommen«, erklärte sie. »Aber er macht gerade Urlaub, der Glückliche. Nicht dass von ihm irgendwelche Entscheidungen zu erwarten gewesen wären. Das da sind die Männer, die die Entscheidungen treffen.«
»Und dieser McAdoo ist wirklich der Schwiegersohn des Präsidenten? Der ist doch mindestens so alt wie Wilson selbst.«
»In dieser Stadt mögen die Frauen ältere Männer«, erwiderte Mrs. Cross. »Eleanor war wohl ungefähr zwanzig, als sie ihn
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