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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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erinnere ich mich wieder. Sie haben das gesamte Programm initiiert. Ich habe Ihren Namen in der Korrespondenz gesehen. Ich kann Ihnen gar nicht genug danken. Durch die Unterstützung Ihrer Armee konnten wir uns letztes Jahr über Wasser halten, als wir keine anderen Mittel hatten.«
    Colette blickte Younger überrascht an.
    »Für uns war es ein Gewinn«, erwiderte Younger. »Ihr mobiler radiologischer Apparat ist allem, was wir haben, weit überlegen. Und das habe ich nur erfahren, weil Mademoiselle
Rousseau so freundlich war, sich unserer Soldaten anzunehmen.«
    »Sie haben mir nie erzählt, dass Sie bei den Amerikanern gearbeitet haben, mein Kind. Aber wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse, nicht wahr? Ich mache uns Tee. Wie gefällt es Ihnen in Amerika?«
    »Dort ist alles möglich«, antwortete Colette. »Im Guten wie im Schlechten, und so fühlt man sich auch. Sie sollten die Radiumraffinerie sehen. Aus den Kaminen dringt der schwarze Rauch. Nacheinander rollen die Lastwagen heran und liefern Erz, das mit dem Zug aus Bergwerken im dreitausend Kilometer entfernten Colorado hintransportiert wird. Die Fabrik arbeitet Tag und Nacht — mit Ihrem Isolierungsprozess, Madame. Sie verwenden nicht Pechblende, sondern Carnotit. Angeblich gibt es in Amerika genug Carnotit für die Herstellung von neunhundert Gramm Radium.«
    Madame Curie blieb lange Zeit stumm. »Neunhundert Gramm. Was ich mit zehn erreichen könnte! Entschuldigung, ich möchte nicht bitter klingen. Aber Sie wissen, dass Pierre und ich unsere Entdeckungen vor vielen Jahren hätten patentieren können, als noch niemand auf der Welt von Radium gehört oder von Radioaktivität geträumt hat. Alle haben uns beschworen, Patente für unsere Isolationsprozesse anzumelden, aber wir wollten nicht. Das ist nicht der Sinn von Wissenschaft. Radium gehört der gesamten Menschheit. Trotzdem, wären wir damals etwas mehr auf unseren Nutzen bedacht gewesen, stünde ich heute nicht ohne Radium da. Dabei könnten wir schon mit einer kleinen Menge so viel bewirken — viele Menschen heilen und vielleicht ein Kind vor dem Tod bewahren, aus dem der
nächste Newton wird. Jetzt habe ich gar nichts mehr. Nur noch Radondampf. Viele Experimente warten auf ihre Durchführung. Und wir müssen die Patienten in Scharen abweisen.«
    Niemand sprach ein Wort.
    »Und wie geht es der unverwüstlichen Mrs. Meloney?« Mit der Frage an Colette fand Madame Curie wieder zu ihrem schwungvollen Ton zurück. »Sie ist auf jeden Fall eine von diesen Alles-ist-möglich-Amerikanerinnen. Besteht eine Chance, dass sie genug Geld sammelt, um ein Gramm Radium für uns zu erwerben?«
    »Ich fürchte, das Spendenaufkommen ist noch zu gering. « Colette klang traurig. »Viel zu gering.«
    »Nun, ich habe sowieso nicht damit gerechnet«, erwiderte Madame Curie. »Mrs. Meloney hat ein großes Herz, aber ihr Denken ist nicht besonders naturwissenschaftlich. Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn wir dieses Gramm Radium aus Amerika nicht bekommen, bin ich gar nicht so unglücklich. Wenigstens muss ich dann nicht über den Ozean reisen und unzählige Reden halten. Sie wissen ja, wie zuwider mir solche Verpflichtungen sind. Dafür bin ich einfach zu müde. Doch nun zu Ihnen, Dr. Younger. Was kann ich für Sie tun?«
    Younger erklärte sein Anliegen. »Es geht um Röntgenaufnahmen vom Hals einer jungen Frau, die ich vor kurzem gemacht habe. Die Bilder zeigen ein Muster, das ich noch nie gesehen habe. Ich habe sie nicht dabei, aber ich kann es aufzeichnen. Vielleicht könnten Sie mir etwas dazu sagen.«
    »Madame ist keine Röntgenexpertin, Stratham«, wandte Colette ein. »Sie arbeitet nicht mit Röntgenstrahlen, sondern mit Radium.«

    »Schon in Ordnung«, sagte Madame Curie. »Zeichnen Sie nur, ich bin neugierig.«
    Younger erhielt Stift und Papier und machte sich ans Werk. Er füllte eine Seite mit dem sonderbar welligen, gitterförmigen Schattenmuster, das er auf den Röntgenbildern von Quinta McDonald entdeckt hatte.
    Als er fertig war, hob Madame Curie das Blatt dicht vor die Augen, hielt es weg und wieder nahe davor. »Die Röntgenstrahlen haben den Hals der Frau nicht durchdrungen.«
    »Genau«, bestätigte Younger. »Irgendwas hat sie aufgehalten. «
    »Oder vielmehr sie überlagert«, ergänzte Madame Curie. »Sind Sie sicher, dass es Aufnahmen von einem Menschen waren – und nicht von irgendeinem Gegenstand?«
    »Ich habe sie selbst angefertigt. Die junge Frau hatte eine Wucherung an Hals und Kinn.

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