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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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bestätigte der Chirurg. »Ich kann nichts für ihn tun. Es tut mir leid. Hat er Verwandte?«
    »Was heißt das, Sie können nichts tun? Operieren Sie ihn doch.«
    »Das habe ich schon.« Der Chirurg wischte sich über die
Stirn. »Die Kugeln haben die Rippen getroffen und sitzen in der Thoraxhöhle. Ich kann sie nicht herausholen, weil ich nicht weiß, wo sie sich befinden. Ich würde ihm Herz und Lunge zerreißen, ehe ich sie finde.«
    »Können Sie ihn nicht röngten oder so was?«
    »Röntgenaufnamen sind zwecklos«, erklärte der Chirurg. »Die Kugeln sind noch nicht zur Ruhe gekommen. Sie verschieben sich mit jedem Atemzug. Bis wir die Bilder haben, sind die Kugeln schon woanders. Es dauert noch mindestens zweiundsiebzig Stunden, bis sie sich stabilisieren.«
    »Das klingt doch nicht so schlecht.« Littlemore wollte den grimmigen Fatalismus des Chirurgen nicht zur Kenntnis nehmen. »Roosevelt hatte fast zehn Jahre lang eine Kugel in der Brust.«
    »Die Umstände sind tatsächlich ähnlich wie bei Roosevelt«, räumte der Arzt ein. »Bis auf die Infektion. Dr. Youngers Neutrophile liegen bei etwa achtzig Prozent. Er hat Fieber. Roosevelts Verletzung dagegen ist völlig ohne Infektion verheilt. Das war ja das Erstaunliche daran.«
    »Was heißt das, Doc? Ich hab das nicht ganz verstanden.«
    »Es heißt, dass sich Ihr Freund von seiner Infektion erholen muss. Bei so einem Zustand sind wir machtlos. All unsere Instrumente, unsere Wissenschaft, unsere Medikamente können nichts ausrichten. Die Nacht sollte er auf jeden Fall überstehen. Morgen früh machen wir wieder einen Bluttest. Wenn die Neutrophile abnehmen, erholt er sich vielleicht.«
     
    L ittlemore klopfte behutsam an und betrat ein stilles Krankenzimmer. Colette stand am Bett und kühlte Younger mit einer Kompresse die Stirn. Younger lag mit geschlossenen
Augen auf dem Bauch, die Wange direkt auf der Matratze. Er atmete flach, das Gesicht war unnatürlich blass, er zitterte am ganzen Körper.
    »Wie geht es ihm?«
    »Gut«, antwortete Colette. »Sehr gut. Er schläft.«
    Beide schwiegen längere Zeit.
    »Was sind Neutrophile, Miss? Der Doktor hat mir erzählt ...«
    »Ärzte sind dumm«, stellte Colette fest.
    Wieder kehrte Stille ein.
    Schließlich brach Colette das Schweigen. »Neutrophile sind weiße Blutkörperchen, die häufigsten. Bei einer Entzündung im Körper vermehren sich die Neutrophile, um sie abzuwehren. Normalerweise machen sie ungefähr fünfundsechzig Prozent der weißen Blutkörperchen aus.«
    »Wie schlimm sind achtzig Prozent?«
    »Überhaupt nicht schlimm, sondern gut. Das zeigt, dass er seine Infektion bekämpft. Morgen werden seine Neutrophile auf siebzig zurückgehen, höchstens fünfundsiebzig, Sie werden sehen. Dann werden sie jeden Tag immer mehr sinken, bis der Wert wieder normal ist. Hat Mr. Brighton überlebt?«
    »Nein. Auch Samuels nicht.« Littlemore betrachtete Youngers zitternden Körper. »Haben sie was über die Kugelart gesagt, Miss?«
    »Warum?«
    »Das kann viel ausmachen. Am schlimmsten sind Hohlspitzgeschosse. Sie verformen sich beim Aufprall stark. Das ist wirklich gemein. Sind sogar im Krieg verboten. Die Kugel, die Teddy Roosevelt getroffen hat, war kein Hohlspitzgeschoss, deswegen ist sie auch nicht auseinandergegangen.
Wir von der Polizei haben gleich gewusst, dass er wieder gesund wird.«
    Colette blieb lange stumm. »Das ist das Wort, das die Ärzte benutzt haben. Sie haben gesagt, die Kugeln haben sich verformt.«
     
    V or dem Morgengrauen landeten verschnürte Zeitungspakete auf den Straßen, die in großen Schlagzeilen eine Versöhnung zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko verkündeten.
    Die amerikanische Armee an der Grenze bereitete sich auf den Abzug vor. Der mexikanische Gesandte Roberto Pesqueira erklärte in Washington unmissverständlich, dass es nicht zu einer Verstaatlichung amerikanischen Eigentums in seinem Land kommen werde. Des Weiteren hieß es, dass die US-Strafverfolgungsbehörden ein ruchloses, aber nicht näher erläutertes Komplott zum Sturz von General Obregón aufgedeckt und vereitelt hatten.
     
    G leich am Morgen wurde Younger Blut abgenommen. Er war immer noch bewusstlos, aber sein Fieber hatte sich stabilisiert. Sein Körper wirkte mitgenommen und geschwächt. Colette war anwesend, Littlemore war nach Hause zu seiner Familie gegangen.
    Eine halbe Stunde später trat der Chirurg vom Vortag ein. »Sechsundachtzig Prozent.«
    »Das muss ein Fehler sein«, erwiderte

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