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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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kräuselte sich vor Youngers Augen.
    Wieder Stille.
    »Nicht mal zu meinen Eltern«, sagte Younger.
    »Pardon?«
    »Nichts. Asche?«
    Littlemore nahm die Zigarette, streifte sie in einen Aschenbecher ab und steckte sie Younger wieder in den Mund.
    »Ich war nicht freundlich, Jim.« Youngers Stimme war leise.
    »Wovon reden Sie überhaupt?«
    »Ich war nie freundlich. Zu keinem Menschen. Nicht mal zu meinen Eltern.«
    »Natürlich waren Sie freundlich«, entgegenete Littlemore. »Sie haben Ihre Mom gepflegt, als sie krank war. Das weiß ich noch.«
    »Stimmt nicht. Und mein Vater. Alles, was er von mir wollte, war Respekt. Nicht mehr. Aber den hab ich ihm nie gezeigt.« Er lachte durch den Rauch. »Das Komische war, dass ich ihn tatsächlich respektiert habe. Ich war nicht wie Sie. Sie besuchen Ihren Vater jedes Wochenende. Er gehört zu Ihrem Leben. Sie reden über Washington mit ihm.«
    »Mein Dad?« Littlemore schnaufte.
    »Ja.«
    »Mein Dad?«
    Younger schaute ihn an.
    »Mein Dad ist ein Säufer. Sein ganzes Leben lang schon. Er hat betrogen, und er war korrupt. Wurde aus der Truppe entfernt, weil er Schmiergeld angenommen hat. Die Marke hat er verloren, und die Waffe. Alles, was ich über ihn erzählt habe, ist gelogen.«
    »Ich weiß.«
    »Ich weiß, dass Sie es wissen. Aber Sie haben sich meine Lügen angehört.«
    Keiner sprach.
    »Das war freundlich«, fügte Littlemore hinzu.
    Younger zog eine Grimasse. Sein Kopf zuckte zurück, seine Zähne schnappten zusammen. Die Zigarette brach ab, und das brennende Ende beschrieb einen kleinen Bogen durch die Luft, ehe es neben seinem Kinn aufs Bett prallte und auf den Boden fiel. Gleichzeitig öffnete sich die Tür.
    »Ich heb sie auf.« Schnell wischte Colette rote Glut vom Laken und machte den Boden sauber. Wortlos legte sie Younger die Hand unter die Lippen. Das andere Ende der Zigarette glitt aus seinem Mund. Wieder fing er an zu zittern und zu schwitzen.
    Niemand sagte etwas.
    Schließlich fragte Littlemore: »Sind die Schmerzen schlimm, Doc?«
    »Ich hab es nie verstanden.«
    »Was?«
    »Warum ich lebe. Warum alle anderen leben.«

    »Und jetzt verstehst du es?« Colette strich ihm übers Haar.
    Younger nickte. »Nicht Glück, nicht Sinn. Einfach ...« Er brach ab.
    »Was?«
    »Krieg.«
    »Nur dass manche Leute nicht kämpfen.« Littlemore erinnerte sich an eine Bemerkung Youngers.
    »Stimmt nicht. Alle kämpfen. Und ich weiß auch, wer gegen wen steht in dem Krieg.« Er sah Colette an.
    »Wer?«, fragte Littlemore.
    »Zu spät.« Younger verlor die Kontrolle über seinen Oberkörper, der zu zucken begann. Auf seinem Verband zeichnete sich frisches Blut ab. Ob der Ausdruck auf seinem Gesicht wieder eine Grimasse war oder ein Lächeln, war für Littlemore nicht zu erkennen.
    Colette starrte ihn an. Betty rief nach der Schwester.
     
    M itten in der Nacht kniete Colette allein neben Youngers Bett. Auf dem Tisch brannte eine Kerze. »Kannst du mich hören?«
    Seine Augen waren geschlossen. Er atmete so flach, dass sein nach oben gekehrter Rücken sich kaum hob und senkte. Seine Stirn war nass. Die Wangen schimmerten hohl.
    »Wenn du stirbst«, flüsterte sie, »werde ich dir nie verzeihen. «
    Er lag reglos da.
    Jäh stand sie auf und ließ seine Hand los. »Dann stirb eben, wenn du so schwach bist. Ich dachte, du bist stark. Aber du bist ein Schwächling. Nur ein Schwächling.«
    »Nicht gerade mitfühlend.« Er ließ die Augen geschlossen.

    Ächzend bedeckte sie ihren Mund. Sie fasste wieder nach seiner Hand und wisperte ihm ins Ohr. »Wenn du überlebst, tue ich alles, was du willst. Ich werde deine Sklavin sein.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    Flatternd öffneten sich seine Augen und fielen wieder zu. »Anreiz. Das ist gut. Trotzdem, ich sterbe. Du musst gehen.«
    »Ich gehe nirgends hin.«
    »Doch.« Es kostete ihn große Mühe zu sprechen. »Ich sag dir jetzt, was du tun musst. Ich bin nicht mehr lange wach. Hol Littlemore. Er soll dich zu einem Angelgeschäft bringen. «
    »Was?«
    »Brich ein, wenn es sein muss. Dort gibt es Maden – als Köder. Dass mir das nicht schon längst eingefallen ist. Sie müssen von Schmeißflegen sein. Alles andere frisst mich auf. Sag dem Chirurgen, er soll die Stellen öffnen, wo die Kugeln eingedrungen sind. So tief wie möglich schneiden. Die Maden einführen. Die Wunden offen halten — mit Klammern. Braucht viel Luft. Alle zwei Stunden trocknen. Nach drei Tagen säubern.«
     
    D r. Salvini, der Chefchirurg am

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