Todesinstinkt
Colette.
»Kein Fehler. Es tut mir leid.«
»Nicht so wichtig«, sagte Colette. »Bis heute Abend wird der Wert sinken. Es geht ihm besser. Viel besser. Das merke ich.«
B ei Sonnenuntergang kam Littlemore mit Betty zurück ins Krankenhaus. Sie waren schon den ganzen Tag da gewesen und hatten abwechselnd gewacht. Tiefe Furchen hatten sich in Littlemores Gesicht gegraben. Am Eingang trafen sie auf Colette.
»Ich hole Zigaretten.« Colette lächelte. »Er hat darum gebeten. «
»Er ist wach?«, fragte Betty.
»Hellwach. Es geht ihm viel besser.«
»Ich hole ihm die Kippen, Miss.« Littlemore war ein Riesenstein vom Herzen gefallen. »Gehen Sie ruhig rauf.«
»Nein, schon gut. Er will sowieso mit Ihnen reden.«
»Mit mir?«
»Ja.«
»Der Doc redet doch nicht mit mir. Er redet mit niemandem. Sind seine Neutrophile wieder unten?«
»Sie sind unglaublich stark«, erwiderte Colette. »Fünfundneunzig Prozent.«
»Fünfundneunzig?« Littlemore war wie betäubt. »Aber ich dachte ...«
»Das beweist, wie sehr er sich gegen die Infektion wehrt. Ein gutes Zeichen. Aber ich glaube ... ich glaube ... vielleicht sollten Sie sich beeilen, Jimmy.« Colette wandte sich ab und verbarg das Gesicht, aber sie weinte nicht. »Ist hier irgendwo ein Kiosk?«
»Ich weiß einen.« Betty hatte verstanden, was die Französin wollte. »Ich bringe Sie hin.«
A ls Littlemore ins Zimmer trat, bereitete eine Schwester gerade eine Injektion vor. »Danach werden Sie sich viel besser fühlen«, sagte sie zu Younger.
Younger lag noch immer auf dem Bauch. Sein Gesicht war seitlich ins Kissen gedrückt und blickte zur Tür. Er bemerkte Littlemore. Sein Rücken war von der Taille aufwärts nackt und hatte an zwei Stellen dicke Pflaster. Seine glänzende Stirn war so weiß wie das Bettlaken, und er schlotterte entsetzlich. »Nein.« Seine Stimme war stark, aber er bewegte sich nicht. »Keine Spritze.«
»Ein großer Mann wie Sie hat Angst vor einer kleinen Spritze?«, erwiderte die Schwester. »Keine Sorge, gleich geht es Ihnen viel besser.«
Younger wollte sich hochstemmen, seine Arme wirkten kräftig, doch offenbar war es zu schmerzhaft. »Keine Spritze. « Er sah Littlemore an.
Der Detective wandte sich an die Schwester. »Ma’am, er will keine Spritze.«
»Es ist gegen den Schmerz.« Die Schwester nahm ihn kaum zur Kenntnis.
Younger schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, Ma’am, das geht nicht«, sagte Littlemore.
»Anweisung des Arztes.« Sie klang, als würde diese Zauberformel jede weitere Diskussion unterbinden. Sie tippte auf den Kolben und ließ einen Tropfen aus der Nadel quellen. Doch als sie zur Injektion ansetzen wollte, packte Littlemore sie umstandslos am Handgelenk und bugsierte sie hinaus.
»Danke«, murmelte Younger.
Littlemore bemerkte Streichhölzer und eine Schachtel Zigaretten auf einem Tisch. »Ich dachte, die Kippen sind Ihnen ausgegangen.«
»Nur noch eine.«
»Wollen Sie sie?«
»Klar, spielen wir alle Klischees durch. Ich lehne das Morphium ab, Sie stecken mir eine Zigarette in den Mund.«
»Ja oder nein?«
»Nein.«
»Sie werden uns doch nicht wegsterben, Doc.«
»Überleg’s mir noch.«
Schweigen trat ein.
Youngers Zähne begannen zu klappern. Es kostete ihn sichtlich Kraft, das Geräusch abzustellen. »Wie läuft’s in der Arbeit?« Er sprach durch zusammengebissene Zähne.
»Gut«, antwortete Littlemore. »Hab zwar keine, aber trotzdem gut.«
»Familie?«
»Der Familie geht’s gut.«
Aus den Infusionsbeuteln auf der anderen Seite des Betts tropfte es gleichmäßig. Durch das geschlossene Fenster drang Verkehrslärm.
»Schön.«
»Sie wollten mit mir reden?«, fragte Littlemore.
»Wer hat das gesagt?«
»Die Miss.«
»Lächerlich.« Youngers Zähne begannen wieder zu rattern.
»Ich zünde Ihnen jetzt die Zigarette an.« Littlemore merkte, dass seine Finger nicht so ruhig waren wie sonst. »Hier.«
»Danke.« Younger rauchte, seine klappernden Zähne entspannten sich. »Immerhin, einen Silberstreif gibt es.«
»Ach, und der wäre?«
»Wenn ich schnell genug sterbe, müssen Sie sich morgen wegen meiner Anhörung keine Sorgen mehr machen. Man
kann Sie nicht posthum zur Zahlung einer Kaution verpflichten. «
»Ich habe schon mit dem Bezirksstaatsanwalt gesprochen«, meinte Littlemore. »Er hat die Anklage gegen Sie fallenlassen.«
»Ah, ausgezeichnet. Dann ist mein Tod also völlig zwecklos. «
Langes Schweigen.
»Nur gut, dass ich nicht gläubig bin.« Der Rauch
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