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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Washington Square Hospital, sträubte sich zunächst heftig gegen die Vorstellung, die sterilen Wunden seines Patienten mit Fliegenlarven zu verseuchen. Aber er wusste, dass Younger im Sterben lag, und Colette ließ ihm ohnehin keine andere Wahl.
    »Ähm, und wenn die da drinnen Eier legen?« Früh am nächsten Morgen inspizierte Littlemore das brodelnde Gewimmel in den Trögen auf Youngers Rücken.

    »Zuerst müssen wir darauf hoffen, dass sie die Infektion reinigen«, antwortete Colette leise.
    »Ich weiß, aber wenn sie ausgebrütet werden, nachdem er zusammengeflickt wurde?«
    »Das sind Larven«, erklärte Colette. »Sie können keine Eier legen. Sie fressen nur.«
    »Aha, das, äh, klingt gut.« Littlemore schluckte.
    Dass Younger die nächsten achtundvierzig Stunden überstand, grenzte an ein Wunder. Seine Temperatur kletterte auf über vierzig Grad. Er aß nichts, trank kaum. Man musste ihn am Bettgitter festbinden, weil seine Konvulsionen so heftig waren.
    A m dritten Tag sank das Fieber. Als die Maden aus den Wunden gespült wurden, fand Salvini zu seiner Überraschung sauberes, gesundes Gewebe vor, aus dem alle abgestorbenen Reste und Sekrete verschwunden waren.
    Erneut wurden Röntgenaufnahmen gemacht. Diesmal berechnete Colette persönlich die Position der Kugelfragmente – korrekt bis auf einen Zehntel Zentimeter. Die Geschosse waren tatsächlich verformt worden, aber sie waren stabil und weitgehend intakt. Salvini musste Younger keine Rippen mehr brechen, um sie zu entfernen.
     
    Am nächsten Morgen strömten frische Luft und gesprenkeltes Licht durch das Fenster von Youngers Krankenzimmer, dessen Vorhänge aufgezogen waren und den Blick auf den Washington Square Park und seine herbstlichen Bäume freigaben. Younger war wach und saß gestützt von Kissen im Bett. Er hatte abgenommen, doch sein Gesicht hatte wieder Farbe, und er konnte sich bewegen.
    Mit strahlendem Gesicht trat Colette ein. Sie hatte ein
Baguette und eine Papiertüte mit Backwaren dabei. »Ich habe eine französische Boulangerie entdeckt und Croissants mitgebracht. Können wir hier leben?«
    »Wo hast du diese Diamanten her?« Er musterte ihr Halsband.
    Colette schüttelte den Kopf und brach das Baguette. »Diese furchtbaren Diamanten. Ich kriege sie einfach nicht ab. Sogar gebadet habe ich damit.«
    »Du gefällst mir mit ihnen«, erwiderte Younger. »Ich befehle dir, sie anzubehalten. Tag und Nacht.«
    »Aber ich möchte nicht.«
    »Und so was will eine Sklavin sein. Komm her.«
    Sie beugte sich zu ihm. Younger fasste in ihren Nacken und löste das Halsband mit einem einzigen Griff. Sie küsste ihn auf die Lippen. Er reichte ihr ein Telegramm, das Officer Roederheusen vom Commodore Hotel gebracht hatte. Colette las es laut vor.
    26 NOV 1920
    JUNGE GEHEILT. HABE KABINE FÜR IHN AUF SUSQUEHANNA GEBUCHT ANKUNFT NEW YORK 23 DEZEMBER IN BEGLEITUNG IHRES FREUNDES OKTAVIAN KINSKY. BITTE UM MITTEILUNG OB DIESER PLAN GENEHM. FREUD

22
    A m 23. Dezember stampften sie in der eisigen frühmorgendlichen Hafenluft mit den Füßen: Younger und Colette, Jimmy und Betty Littlemore warteten auf den Dampfer Susquehanna . Über Nacht war der Winter hereingebrochen und hatte New York mit einem märchenhaften Zuckerguss überzogen, der von der abweisend grauen, mit Obstschalen und anderem Abfall übersäten See Lügen gestraft wurde.
    Die Männer standen am Kai. Colette und Betty unterhielten sich bei den Hafengebäuden, um sich vor dem schneidend kalten Wind zu schützen. Younger, der unter dem Anzug einen dicken Verband um die Brust trug, fragte den Detective nach der Zeit.
    »Viertel vor acht.« Littlemore rieb sich die Hände, um warm zu werden. »Wo ist Ihre Uhr?«
    »Verkauft.«
    »Warum?«
    »Um das Krankenhaus zu bezahlen. Und Lucs Schiffskarte. «
    »Weiß Colette davon?«
    »Sie weiß, dass ich blank bin«, antwortete Younger.
    »Bei mir sieht’s noch um einiges düsterer aus. Betty und ich räumen die Wohnung aus. Wir mussten uns entscheiden: entweder die Miete zahlen oder die Kinder ernähren. Ich war für die Miete, doch Sie kennen ja die Frauen. Aber Sie, Sie können sich zumindest als Arzt was verdienen.«

    Younger rauchte. »Kehren Sie doch einfach zur Polizei zurück. Sie sind immerhin Captain bei der Mordkommission. «
    Littlemore schüttelte den Kopf. »Im Moment sind bei der Truppe die Löhne eingefroren. Vielleicht im Frühjahr.«
    »Wahrscheinlich müssen wir eine Bank ausrauben«, überlegte Younger. »Wie geht’s eigentlich

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