Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
drückte meine Hand. Und ich drückte zurück.
Das war der Anfang. Wir waren wie siamesische Zwillinge. Salz und Pfeffer, wie Miss Flowers uns nannte, aber mir war »Milch und Kekse« lieber, was Mr. Nelsons Bezeichnung war. Er war Amerikaner, unterrichtete Biologie und protestierte heftig, wenn die Leute sagten, dass es von den naturwissenschaftlichen Wahlfächern das leichteste sei.
Wir waren erst in der Schule und dann auf der Uni beste Freundinnen. Ich liebte sie. Nicht auf eine sexuelle Art, obwohl ich nicht glaube, dass ich mit vierzehn den Unterschied begriff.
Cate behauptete, die Zukunft vorhersagen zu können. Sie skizzierte unseren weiteren Lebensweg, inklusive Karriere, Liebhabern, Hochzeiten, Ehemännern und Kindern. Sie konnte sich sogar selbst traurig machen, indem sie sich vorstellte, dass unsere Freundschaft eines Tages enden würde.
»Ich hatte nie eine Freundin wie dich, und ich werde nie wieder eine solche Freundin haben. Niemals wieder.«
Ich war verlegen.
Und noch etwas sagte sie: »Ich werde jede Menge Babys haben, weil die mich lieben und nie verlassen werden.«
Ich weiß nicht, warum sie so redete. Sie behandelte Liebe und Freundschaft stets wie kleine Wesen, die in einen Eissturm geraten waren und ums Überleben kämpften. Vielleicht wusste sie damals etwas, was ich nicht wusste.
5
Ein anderer Morgen. Irgendwo scheint die Sonne. Ich sehe den zwischen Häusern eingeklemmten blauen Himmel und einen Baukran wie eine Kohleradierung vor einem lichthellen Hintergrund. Ich kann nicht sagen, wie viele Tage seit dem Unfall vergangen sind – vier oder vierzehn. Die Farben sind dieselben – die Luft, die Bäume, die Häuser –, nichts hat sich verändert.
Ich bin jeden Tag im Krankenhaus gewesen, wo ich das Wartezimmer mit Cates Familie meide und stattdessen in der Cafeteria sitze, bis sie gegangen sind.
Cate liegt im Koma. Maschinen helfen ihr beim Atmen. Laut offiziellem Krankenhausbericht hat sie eine Lungenperforation, ein gebrochenes Rückgrat und multiple Frakturen an beiden Beinen. Ihr Hinterkopf war regelrecht pulverisiert, aber mittels zweier Operationen konnte die Blutung gestoppt werden.
Ihr Neurochirurg versichert mir, dass das Koma etwas Gutes ist. Ihr Körper hat sich abgeschaltet und versucht, sich selbst zu heilen.
»Was ist mit Hirnschäden?«
Er spielt mit seinem Stethoskop und weicht meinem Blick aus. »Das menschliche Gehirn ist der am perfektesten konstruierte Apparat im uns bekannten Universum«, erklärt er mir. »Leider ist es nicht dafür gebaut, den Kräften eines Automobils zu widerstehen.«
»Und das heißt?«
»Wir klassifizieren schwere Schädelhirnverletzungen nach einer Komaskala. Bei acht oder weniger Punkten spricht man von einer schweren Bewusstseinsstörung. Mrs. Beaumont liegt bei vier auf der Skala. Es ist eine sehr schwere Kopfverletzung.«
Am späten Vormittag gibt es einen neuen Bericht. Ihr Zustand ist unverändert. In der Cafeteria laufe ich Jarrod über den Weg, und wir trinken einen Kaffee und plaudern über Alltäglichkeiten:
Job und Familie, der Preis von Eiern und die Brüchigkeit moderner Papiertüten. Das Gespräch wird von langen Pausen unterbrochen, als ob das Schweigen selbst Teil der Sprache geworden wäre.
»Die Ärzte sagen, sie war gar nicht schwanger«, sagt er. »Sie hat das Baby nicht verloren. Es gab keine Fehlgeburt oder einen Abbruch. Mum und Dad sind außer sich. Sie wissen nicht, was sie davon halten sollen.«
»Irgendeinen Grund muss sie gehabt haben.«
»Ja, aber mir fällt keiner ein.« Ein Luftzug aus dem Lüftungsschlitz an der Decke zerzaust sein Haar.
»Glaubst du, Felix hat es gewusst?«
»Vermutlich. Wie soll man seinem Ehemann so etwas verheimlichen? « Er blickt auf seine Uhr. »Warst du schon bei ihr?«
»Nein.«
»Dann komm.«
Jarrod führt mich durch grellweiße Flure, die alle gleich aussehen, auf die Intensivstation in einem der oberen Stockwerke. Auf der Intensivstation sind nur jeweils zwei Besucher pro Patient erlaubt. Man muss eine Maske tragen und sich die Hände mit Desinfektionsmittel abschrubben. Jarrod kommt nicht mit. »Es ist bereits jemand bei ihr drinnen«, sagt er und fügt noch hinzu: »Sie wird schon nicht beißen.«
Mir rutscht das Herz in die Hose, aber es ist zu spät, um noch aus der Sache herauszukommen.
Die Vorhänge sind offen, durch das Fenster fällt Tageslicht ein und wirft ein helles Rechteck auf den Boden. Mrs. Elliot ist in ihrem Rollstuhl in dem Licht gefangen wie
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