Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
Krankenzimmer, während ich Blut in eine Schüssel spuckte. Zwei Vorderzähne waren aus der Klammer herausgerissen worden und hatten sich zwischen dem verbogenen Metall verklemmt.
Ich hatte ein Handtuch um den Hals und ein weiteres im Schoß. Ich weiß nicht, wohin sie Donavon gebracht haben. Miss Flowers hielt einen Eisbeutel an meinen Mund.
»Willst du mir erzählen, warum?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nun, ich bezweifle nicht, dass er es verdient hat, aber du musst mir schon einen Grund nennen.«
Ich antwortete nicht.
Sie seufzte. »Okay, also gut, das kann warten. Erstmal brauchst du eine saubere Uniform. Vielleicht gibt es unter den Fundsachen noch eine. Wir wollen doch, dass du sauber aussiehst, wenn deine Eltern kommen.«
»Ich will zurück in den Unterricht«, lispelte ich.
»Erst müssen wir deine Zähne wieder richten, Liebes.«
Als nicht Privatversicherter einen Notfallzahnarzt zu finden heißt normalerweise, dass man seinen Erstgeborenen der Kirche versprechen musste, aber ich hatte Beziehungen. Mein Onkel Sandhu hat eine Zahnarztpraxis in Ealing. (Er ist eigentlich gar nicht mein Onkel, aber alle älteren Asiaten, mit denen meine Familie bekannt war, wurden Onkel oder Tante genannt.) Onkel Sandhu hatte mir meine Zahnklammer verpasst, »zum Selbstkostenpreis«. Bada war so zufrieden, dass ich für Besucher lächeln musste, damit er meine Zähne präsentieren konnte.
Mama rief meine Schwägerin Nazeem an, und die beiden nahmen ein Taxi zur Schule. Nazeem hatte Zwillinge und war schon wieder schwanger. Ich wurde zu Onkel Sandhu kutschiert, der meine Klammer auseinandernahm und Fotos von meinen Zähnen machte. Danach sah ich wieder aus wie eine Sechsjährige und lispelte.
Der nächste Morgen war so frisch und klar und von einer so unverdorbenen Unschuld, dass er den Vortag Lügen strafte. Cate kam nicht zur Schule. Sie fehlte zwei Wochen bis zu den Sommerferien. Miss Flowers sagte, sie hätte eine Rippenfellentzündung.
An meinen wieder angeklebten Zähnen saugend kehrte ich in die Schule zurück. Die Leute behandelten mich anders. Irgendwas war an jenem Tag geschehen. Die Schuppen waren mir von den Augen gefallen; die Erde hatte sich die erforderlichen Male
um die eigene Achse gedreht, und ich verabschiedete mich von der Kindheit.
Donavon wurde von Oaklands verwiesen und ging zur Armee, zu den Fallschirmjägern. Für Bosnien war es schon zu spät, aber es würde sich schon früh genug irgendein neuer Krieg ergeben. Bradley ging während der Ferien ab und begann eine Lehre als Kesselschmied. Ich sehe ihn gelegentlich immer noch auf einem Spielplatz in Bethnal Green, wo er seine Kinder beim Schaukeln anschubst.
Was Cate passiert war, wurde nie auch nur mit einem Wort erwähnt. Nur ich wusste es. Ich glaube, sie hat es nicht einmal ihren Eltern erzählt – ihrem Vater ganz bestimmt nicht. Digitale Penetration gilt juristisch nicht als Vergewaltigung, weil das Gesetz einen Unterschied zwischen einem Penis und einem Finger, einer Faust oder Flasche macht. Ich finde das falsch, aber das ist eine Debatte für hochnäsige Strafverteidiger.
Nach der Prügelei mit Donavon waren die Leute netter zu mir. Sie nahmen meine Existenz wahr. Ich war nicht mehr nur die »Läuferin«; ich hatte einen Namen. Einer der beiden herausgeschlagenen Zähne wuchs wieder an. Der andere wurde gelb, und Onkel Sandhu musste ihn durch einen falschen ersetzen.
In den Ferien erhielt ich einen Anruf von Cate. Ich weiß nicht, wie sie meine Nummer herausbekommen hatte.
»Ich dachte, du hättest vielleicht Lust, dir einen Film anzusehen. «
»Du meinst, wir beide zusammen?«
»Wir könnten in Pretty Woman gehen. Wenn du den nicht schon gesehen hast. Ich hab ihn schon drei Mal gesehen, aber ich würde ihn mir noch mal angucken.« Sie redete immer weiter. Ich hatte sie noch nie so nervös erlebt.
Meine Mutter erlaubte mir nicht, Pretty Woman zu sehen. Sie sagte, der Film würde von einer Hure handeln.
»Julia Roberts spielt eine Nutte mit Herz«, erklärte ich, was mir nur weiteren Ärger einbrachte. Offenbar war es in Ordnung,
wenn sie das Wort »Hure« benutzte, während ich keineswegs »Nutte« sagen durfte. Am Ende sahen wir uns Ghost mit Patrick Swayze und Demi Moore an.
Cate sagte nichts über Donavon. Sie war immer noch schön, hatte immer noch reine Haut und trug nach wie vor kurze Röcke. Als wir in dem dunklen Kino saßen, berührten sich unsere Schultern, und ich tastete vorsichtig nach ihren Fingern. Sie
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