Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
Beamte, ein kugelrunder Sergeant im Blaumann, späht unter der verbogenen Kühlerhaube eines Wagens hervor. »Kann ich Ihnen helfen?«
Ich stelle mich vor und zeige ihm meine Dienstmarke. »Am Freitagabend gab es in der Old Bethnal Green Road einen Verkehrsunfall. Ein Paar wurde überfahren.«
»Ja, den hab ich mir angeguckt.« Er wischt sich die Hände an einem Lappen sauber und stopft ihn wieder in seine Tasche.
»Eine der beiden ist eine Freundin von mir.«
»Lebt sie noch?«
»Ja.«
»Dann hat sie Glück gehabt.«
»Wie weit sind Sie mit Ihrer Untersuchung?«
»Fertig. Ich muss nur noch den Bericht schreiben.«
»Und was ist Ihrer Meinung nach passiert?«
»Ich fand die Sache ziemlich offensichtlich. Ihre Freundin und ihr Mann haben versucht, ein Mini-Taxi umzurennen.« Er meint es nicht so gefühllos, es ist einfach seine Art. »Vielleicht hätte der Fahrer einen Tick früher bremsen können. Manchmal hat man einfach Pech. Man blickt im falschen Moment in den Rückspiegel, und dieser Bruchteil einer Sekunde fehlt einem an Reaktionszeit. Vielleicht hätte das einen Unterschied gemacht. Vielleicht auch nicht. Wir werden es nie erfahren.«
»Das heißt, Sie ermitteln nicht weiter gegen den Fahrer?«
»Weswegen?«
»Gefährliches Fahrverhalten, fahrlässige Tötung und Körperverletzung, irgendwas muss es doch geben.«
»Er hatte eine Beförderungslizenz, einen gültigen Führerschein, war versichert, registriert und straßentauglich – ich habe nichts in der Hand gegen den Mann.«
»Er ist zu schnell gefahren.«
»Er hat ausgesagt, die beiden wären direkt vor ihm auf die Straße getreten. Er konnte nicht mehr bremsen.«
»Haben Sie den Wagen untersucht?«
»Noch am Unfallort.«
»Wo ist er jetzt?«
Er seufzt. »Ich erkläre Ihnen mal die harte Realität, Detective Constable. Sehen Sie den Hof da?« Er weist auf ein offenes Rolltor, das auf einen ummauerten Hof führt. »Da draußen stehen achtundsechzig Fahrzeuge – jedes davon war in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt. Wir müssen dreizehn Berichte für den Coroner fertigstellen, zwei Dutzend Gutachten für Strafprozesse, und ich verbringe den halben Tag im Zeugenstand und die andere Hälfte bis zu den Ellenbogen in Motoröl und Blut. Es gibt keine guten Verkehrsunfälle, aber aus meiner Sicht war der vom Freitag besser als die meisten anderen, weil er unkompliziert war – traurig, aber unkompliziert. Die beiden sind zwischen parkenden Wagen auf die Straße getreten. Der Fahrer konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen. Schluss aus.«
Die leutselige Neugier in seinem Gesicht ist verschwunden. »Wir haben die Bremsen überprüft. Wir haben seinen Führerschein überprüft. Wir haben uns sein Unfallregister angesehen. Wir haben eine Blutprobe genommen. Wir haben am Unfallort seine Aussage zu Protokoll genommen und den armen Kerl nach Hause gehen lassen. Manchmal ist ein Unfall nur ein Unfall. Wenn Sie Gegenbeweise haben, legen Sie sie vor. Ansonsten wäre es sehr nett, wenn Sie mich einfach weiterarbeiten ließen. «
Einen Moment lang starren wir uns an. Er ist weniger wütend als vielmehr enttäuscht.
»Es tut mir leid. Ich wollte Ihre Fachkenntnis nicht anzweifeln. «
»Das haben Sie aber getan.« Seine Gesichtszüge werden weicher. »Aber das ist okay. Es tut mir leid wegen Ihrer Freundin. «
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir die Aussage des Fahrers einmal ansehe?«
Er hat nichts dagegen. Er führt mich in ein Büro und weist auf einen Stuhl. Auf dem Schreibtisch summt ein Computer, und auf den Regalen reihen sich Aktenordner wie Pappziegelsteine. Der Sergeant gibt mir die Akte und das Video. Einen Moment lang lungert er an der Tür herum, weil er mich nicht allein lassen will.
Der Fahrer heißt Earl Blake, sein angegebener Beruf ist Hafenarbeiter. Im Nebenjob arbeitet er als Taxifahrer, um sich ein bisschen was dazuzuverdienen, wie er erklärt hat.
Das Video hat einen sekundengenauen Timecode und beginnt mit einer Weitwinkeleinstellung der Straße, aufgenommen mit wackeliger Handkamera wie ein Urlaubsvideo. Partygäste lungern vor den Toren von Oaklands auf dem Bürgersteig herum, einige noch mit einem Glas in der Hand oder mit Luftschlangen behängt.
Earl Blake steht ein Stück entfernt und spricht mit einem Polizisten. Als er die Kamera bemerkt, scheint er sich abzuwenden. Das könnte etwas bedeuten.
Es gibt Aussagen von einem Dutzend Zeugen. Die meisten haben das Quietschen der Bremsen gehört und den Aufprall
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