Todeskind: Thriller (German Edition)
überhaupt auf dich eingelassen hat. Durch meine Eltern kenne ich verdammt viele Reiche. Die meisten würden lieber sterben, als einer ungebildeten, mittellosen Kellnerin zu erlauben, ihren Sohn zu heiraten. Ganz zu schweigen davon, die Sache auch noch zu erzwingen.«
»Ja, darüber habe ich mir auch immer wieder Gedanken gemacht und Nadine sogar schon mehrmals danach gefragt. Ihre Antwort lautete stets, ich hätte ihren ›Anforderungen genügt‹. Ich bohrte dennoch weiter, bis mir eines Tages ein Hausmädchen das Foto von Nadines Tochter zeigte, die im Alter von fünfzehn bei einem Bootsunfall gestorben war. Die Ähnlichkeit mit mir war unverkennbar. Ich gehe davon aus, dass Nadine mich wollte, weil ich aussah wie ihre Tochter.«
Joseph verzog entgeistert das Gesicht. »Das muss Travis doch auch gewusst haben. Aber dass er in diesem Fall überhaupt mit dir ins Bett gegangen ist … Entschuldige, aber das ist … Na ja, also ich habe drei Schwestern und kann mir so was einfach nicht vorstellen.«
»Verständlich. Das hat mich auch lange beschäftigt, bis mir klarwurde, dass Travis’ Anforderungen weit weniger zielgerichtet waren als die seiner Mutter. Als ich Hal gegenüber einmal erwähnte, ich verstünde nicht, warum Travis mich überhaupt in Betracht gezogen hatte, erzählte er mir, dass an jenem Abend bereits zwei andere Frauen auf seinem Zimmer gewesen waren. Anscheinend war er gerade in seiner Fürst-Pückler-Phase. Du weißt schon: Blond, braun, dann rothaarig. Und tatsächlich fühlte ich mich danach besser.«
»Aha. Und wie ging es weiter?«
»Ich wurde älter. Ich war siebenundzwanzig. Ich hätte es kommen sehen müssen.«
»Hast du aber nicht?«
»Nö. Bis ich eines Tages unangekündigt in sein Büro marschierte. Da habe ich ihn kommen sehen. Und seine Sekretärin auch.« Sie schauderte übertrieben. »Hilfe! Man bringe mir einen Augenreiniger!«
Er lachte tief und herzlich, während Daphne verstummte. Joseph war in seinem normalen ernsten, düsteren und konzentrierten Zustand sehr sexy und anziehend. Gefährlich und gefährlich anziehend. Aber wenn er lachte … war er wunderschön. Daphne hatte nichts anderes erwartet.
Er wandte den Kopf und hörte abrupt auf zu lachen, als er ihr ernstes Gesicht bemerkte. »Was ist?«, fragte er. »Warum bist du so still?«
»Ich mag es, wenn du lachst«, antwortete sie schlicht. »Es tut mir gut.«
Er streckte den Arm über die Mittelkonsole, streckte ihr die offene Hand entgegen und wartete stumm. Sie schob ihre Finger durch seine und wäre fast zusammengezuckt, als er ihre Hand fest drückte. Als sie die vereinten Hände an ihre Wange hob, atmete er hörbar aus. Sie drückte ihre Lippen auf seine Knöchel. »Danke«, flüsterte sie.
»Wofür?«, fragte er mit heiserer Stimme.
»Dass du mir durch diesen grausigen Tag hilfst.« Ihre Augen brannten, und sie blinzelte, um wieder scharf sehen zu können. Er sagte nichts, sondern hob ihre Hände an seine Lippen und küsste ihre Fingerknöchel, dann liebkoste er mit der Nase ihre Handfläche, während er weiterhin auf die Straße blickte.
»Du riechst so gut«, murmelte er, und sie dachte daran, wie sehr es sie vorhin beruhigt hatte, seinen Geruch einzuatmen.
»Du auch.«
Er küsste wieder ihre Hand, dann ließ er ihre ineinander verschränkten Hände auf die Mittelkonsole sinken. Minuten verstrichen, und beide genossen die warme Stille, die sie wie ein Kokon einhüllte.
Aber draußen ist es kalt. Und Ford ist vielleicht irgendwo dort in der Kälte. Der Gedanke schlich sich in die vorübergehende Entspannung, und sie holte Luft, um ihn durch Reden zu vertreiben.
Joseph kam ihr zuvor.
»Wir waren auf einem Flugzeugträger stationiert«, sagte er. »Sie hieß Jo Carter.«
»Jo Carter?« Sie musste lächeln. »Ernsthaft?«
Auch er lächelte leicht. »So haben wir uns kennengelernt. Ihr voller Name lautete Joella Priscilla Carter. Ich bekam ein Päckchen, das an Jo Carter USS Theodore Roosevelt adressiert war. Als ich jünger war, wurde ich oft Joe genannt, daher dachte ich, es sei nur ein Tippfehler. Bis ich es aufmachte. Es war ein Carepaket von ihrer besten Freundin mit vielen … femininen Dingen. Die Kekse waren klasse, aber der Rest …« Er zog eine übertriebene Grimasse. »Make-up und eine Strumpfhose und … Tampons und Slipeinlagen. Und, ähm, anderes. Ziemlich unanständige Dinge, die ich überhaupt nicht erwartet hätte.«
Daphne lachte leise. »Oje. Das war in eurem Dienstalltag
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