Todeskind: Thriller (German Edition)
offizielle Jahrbuchbild.
»Siebzehn«, murmelte er. Wie Heather Lipton. Was zum Teufel ist hier los?
Er blätterte zu einem Artikel über die Entdeckung der kleinen Daphne Sinclair, die sich in einem Toilettenverschlag in einer Raststätte etwas abseits der Interstate bei Dayton, Ohio, versteckt hatte. Sie war verdreckt und halb erfroren gewesen und hatte nicht erklären können, wo sie gewesen und wie sie entkommen war. Sie hatte nicht einmal sagen können, ob ihre Cousine noch lebte. »Eine Woche später wurde Kellys Leiche gefunden«, las er laut. »In einem Nationalpark bei Dayton.«
»Ich kann mich sogar noch daran erinnern«, erzählte McManus. »Ich war erst fünf, und meine Mutter und all unsere Nachbarinnen hatten Angst, uns Kinder allein zur Schule gehen zu lassen.«
»Was hat das zu bedeuten? Wo ist die Verbindung zu Doug?«, flüsterte Joseph und betrachtete die körnigen Abzüge der alten Fotos.
»Wir müssen mit Miss Montgomery reden«, sagte McManus. »Und dieser Junge muss endlich aufwachen. Er wird uns ja wohl sagen können, wo er den Rucksack gefunden hat.«
»Deacon, sagtest du nicht, Agent Kerr organisiert eine Suche?«, fragte Joseph. »Wo wird denn gesucht, und was ist das für ein Einsatz?«
»Im Augenblick haben wir Fußtruppen und Hunde. Ein Hubschrauber aus Charleston ist angefordert. Wir fangen dort an, wo wir den Rucksack gefunden haben.«
Nachdenklich rieb sich Joseph mit dem Handrücken über den Mund. Als er einatmete, nahm er Daphnes Duft an seinen Händen wahr. »Gehen wir, Leute. Reden wir mit Miss Mont …«
Ein schriller Schrei gellte durch den Krankenhausflur und schnitt ihm das Wort ab, dann ertönte ein zweiter Schrei, gefolgt von Tumult und schweren, rennenden Schritten.
»Joseph!«
Daphne.
Baltimore, Maryland
Mittwoch, 4. Dezember, 20.10 Uhr
Cole brauchte ein paar Minuten, um etwas zu finden, mit dem sich die Tür aufstemmen ließ. Zum Glück handelte es sich um eine ganz normale Tür und nicht um eins von den supersicheren Modellen aus Stahl, mit denen sein Großvater den Bunker ursprünglich bestückt hatte. Davon hatte Tante Betty jedenfalls erzählt.
Die richtigen Werkzeuge waren alle in der Garage, aber im Schrank fand er eine Feueraxt. Sie sah so alt aus, dass Cole nur hoffen konnte. Er schob die Klinge zwischen Rahmen und Türblatt und drückte fest.
Die Tür flog auf, als sei das Schloss aus Lego, und dahinter entdeckte er das Mädchen, das ihn um Hilfe gebeten hatte. Sie war klein und lag reglos auf einer Pritschte wie die, die er in dem anderen Kellerraum gesehen hatte. Cole beugte sich über sie. Sie war älter als er, vielleicht Studentin. Asiatin. Er berührte ihre Stirn. Fiebrig. Blieb nur zu hoffen, dass sie nichts Ansteckendes hatte.
Cole setzte sich neben der Pritsche auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. »Na toll«, murmelte er. »Ich bin mit Typhus-Mary in einem Bunker gefangen.«
»Kim.«
Erschreckt leuchtete er ihr mit der Taschenlampe ins Gesicht. »Wie bitte?«
»Ich heiße Kim.« Ihre Stimme klang wie ein Reibeisen. »Und ich habe keinen Typhus. Dein Bruder hat mir ein Messer ins Bein gestoßen, die Wunde brennt höllisch.«
»Welcher Bruder? Ich hab zwei.«
»Doug.«
»Keiner von beiden heißt Doug.«
»Du bist doch Cole, richtig? Der Junge, der dauernd von der Schule suspendiert wird?«
Er blickte finster. »Ja.«
»Dann hast du auch einen Bruder, der Doug heißt.«
Wheeling, West Virginia
Mittwoch, 4. Dezember, 20.28 Uhr
Daphnes Schrei klingelte Joseph noch in den Ohren, als er die Tür aufriss und über den Flur zu Fords Zimmer sprintete, wo heilloses Chaos herrschte.
Der Officer, der Wache gestanden hatte, lag am Boden und blutete stark, aus seinem Bauch ragte ein Messer. Neben ihm kniete eine Krankenschwester und leistete bereits Erste Hilfe.
Daphne stand an Fords Bett und schirmte ihn mit ihrem Körper ab. Sie hatte die Augen weit aufgerissen. Klägliche Angst stand darin, als sie zur Tür deutete. »Er hat einen Kittel getragen. Ein alter Mann, graue Haare. Vielleicht eins achtzig groß. Hector verfolgt ihn.«
Joseph rannte wieder los, warf aber noch einen Blick über die Schulter. Deacon war dicht hinter ihm. »Deacon, lass dir die Sicherheitsvideos vom Krankenhaus zeigen. Verschaff dir eine Beschreibung und leite die Fahndung ein.« Er zog seine Pistole und winkte McManus. »Kommen Sie.«
Er stürmte ins nächstbeste Treppenhaus und rannte, immer drei Stufen auf einmal nehmend,
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