Todeskind: Thriller (German Edition)
sein. Zumal es Ihre Mutter war, die Sie offensichtlich geliebt haben.«
Er schluckte. Die Waffe unter ihrem Kinn bebte, doch sofort rammte er sie wieder fester in ihr Fleisch. »Ja, das habe ich. Aber sie war immer traurig. Die ganze Zeit. Und sie hat getrunken.« Sein Gesicht verzerrte sich. »Wegen dir.«
»Haben Sie sie betrunken erlebt?«
»Nein. Sie wollte nicht, dass wir das mit ansehen. Vor allem Cole nicht.«
»Muss schwer sein, diese Frau mit der in Einklang zu bringen, die zugelassen hat, dass ihr Sohn sieht, wie Blut und Hirnmasse überall an den Wänden kleben.« Er zuckte zusammen, und Daphne wusste, dass sie einen Nerv getroffen hatte.
Doch dann verharrte er plötzlich, und die kochenden Emotionen in seinen Augen ebbten zu kalter Ruhe ab.
»Ja, das ist es«, sagte er gelassen. »Um so etwas zu tun, muss sie außer sich vor Kummer gewesen sein. Und dahin hast du sie gebracht. Vielen Dank, dass du mich noch einmal daran erinnert hast, warum ich dich schon gehasst habe, bevor ich noch wusste, wie du heißt.«
Er war nicht länger wütend auf sie. Zitterte nicht mehr vor Zorn. Er hatte sich hundertprozentig unter Kontrolle. Prima gemacht, Daphne. Ihre Gedanken rasten, während sie ihm in die Augen blickte. Seine Hand mit der Waffe war nun ganz ruhig.
Wie kann ich ihn wieder aus dem Gleichgewicht bringen? Ich habe ihn zu sehr gereizt. Jetzt bringt er mich um.
In der Garage war es still, nur ihr Atem war zu hören. Seiner war tief und entspannt. Ihrer zu schnell und nahm noch an Tempo zu, als sich die Panik in ihr aufbaute.
»Mitch!« Jemand rief von draußen. Joseph.
»Steht der Wagen da, Carter?«
»Nein. Aber ich habe hier etwas, das Sie wollen.«
»Ich will den Wagen. Sie die Frau. Ich dachte, wir wären uns einig.«
»Das werden wir bestimmt. Hören Sie zu.«
»Mitch?«, ertönte die blecherne Stimme eines Jungen über Lautsprecher. »Ich bin’s. Cole.«
Dougs Kopf fuhr hoch, und der Druck der Pistole unter ihrem Kinn ließ nach. Wenn draußen ein Scharfschütze wartete, dann mochte dies ihre einzige Chance sein, ihm einen Treffer zu verschaffen, der nicht auch sie gefährdete. Sie warf sich zur Seite, um mehr Abstand zwischen sich und der Pistole zu bringen, doch es reichte nicht.
Doug reagierte prompt, schwang sich auf sie und hielt ihr die Waffe ins Gesicht. Doch sein Atem kam nicht mehr ganz so regelmäßig. »Alles in Ordnung mit dir? Wo bist du?«, fragte er über die Schulter in Richtung Tür.
»Es geht mir gut.« Aber es klang nicht so. Es klang, als hätte er Angst. »Kimberly hat mich k.o. geschlagen. Und deinen Transporter geklaut. Was machst du da eigentlich? Ich hab gehört, dass du eine Geisel hast! Bist du verrückt geworden? Lass die Frau doch gehen!«
»Kommt nicht in Frage!« Die Pistole in Daphnes Gesicht fing an zu zittern. »Ich geh nicht wieder in den Knast. Auf gar keinen Fall.«
»Mitch, verdammt noch mal!« Der Junge weinte, wie Daphne plötzlich begriff. Und nach der Verzweiflung, die sie in Dougs Augen erkannte, war auch er sich dessen bewusst. »Die bringen dich doch um, bevor du mit ihr abhauen kannst. Du weißt das, Mitch. Ich besuch dich lieber im Knast als auf dem Friedhof. Lass sie gehen!«
»Danke, Cole«, sagte Joseph. Seine Stimme war näher gekommen. Er stand direkt vor der Tür. »Ich werde jetzt meinem Mitarbeiter das Telefon zurückgeben. Clay?«
Daphne blinzelte überrascht. Aber sie schwieg und wartete auf die nächste Gelegenheit, von der Waffe, die auf ihr Gesicht zeigte, wegzukommen.
»Der Junge hört nicht mehr«, rief Clay. »Tun Sie, was Sie tun müssen.«
»Was Sie tun müssen, ist eindeutig. Verschwinden Sie«, knurrte Doug. »Ich gehe nicht wieder ins Gefängnis. Dann müssen Sie mich eben umbringen.«
»Damit hab ich kein Problem«, sagte Joseph ruhig. Er schien noch immer direkt vor der Tür zu stehen. »Überhaupt keins.«
Dougs Lächeln blitzte auf. Ein schmales, grausames Lächeln. »Das dachte ich mir schon. Ich denke mir auch, dass ich eine Sekunde habe, ihr den Kopf wegzupusten, bevor Sie mich abknallen.«
Er hatte nichts mehr zu verlieren, erkannte Daphne. Das war’s für mich.
Und plötzlich hatte auch sie nichts mehr zu verlieren. Wenn sie nichts unternahm, würde er sie auf jeden Fall umbringen. Lenk ihn ab. Mach ihn sauer. Rede über seine Mutter. Die Mutter, die sich den Kopf weggeschossen hat, obwohl ein Fünfjähriger im Haus war. Tolle Mutter.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke, und sie kniff nachdenklich die
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